Langlebige Outdoor-Produkte:

Gut für den Geldbeutel und die Umwelt

Innovation spielt eine wichtige Rolle in der Outdoor-Branche. Doch neben den immer neuen Kollektionen mit smarten Funktionen und trendigem Design gibt es bewährte Kleidung und Ausrüstung, die über Jahre quasi unverändert bleibt. Was zeichnet die Produkte aus, die besonders langlebig sind – und was sind die Vorteile im Hinblick auf die Nachhaltigkeit?

Jeden Winter treffen sich Zehntausende von Besuchern aus der Outdoor-Branche auf der internationalen Fachmesse ISPO in München. Presse, Einkäufer und Fachleute verschaffen sich einen Überblick über neue technische Funktionen, nachhaltige Lösungen und innovative Materialien. Es werden mehrere Preise verliehen, darunter der Scandinavian Outdoor Award, der nordischen Branchenorganisation Scandiavian Outdoor Group. 2022 war der Hauptgewinner ein lange genutzter, doch perfekt erhaltener schwarzer Wollpullover aus dem Jahr 2011, hergestellt von der schwedischen Firma Woolpower. Der Zip Turtleneck 200 ist ein Modell, das bereits seit den frühen 1980er Jahren auf dem Markt ist. 

Die Jury begründete ihre Entscheidung wie folgt: „Mit der Einsendung eines alten und genutzten Baselayer-Pullovers hat Woolpower einen sehr mutigen Schritt gemacht, um die Art und Weise, wie wir über Outdoor-Bekleidung denken, zu ändern. Man sieht dem Produkt nach vielen Jahren den Gebrauch an, doch es funktioniert immer noch und erfüllt laut der Jury alle Anforderungen.“

Der Pullover selbst gehört Eva Arnlund Eklöv (die ihn immer noch oft trägt). Sie ist Export Sales Manager bei Woolpower in Östersund und hatte die Idee, ein Produkt aus den 1980er Jahren zu einem Wettbewerb für die besten Outdoor-Produkte des Winters zu schicken.

“Die Outdoor-Branche ist gut darin, immer nachhaltigere Produkte zu entwickeln. Aber das Problem ist, dass jede Saison neue Kollektionen, Farben und Details die Kunden dazu verleiten, mehr Produkte zu kaufen, als sie brauchen. Wir wollten Produkte fördern, die Jahr für Jahr halten, wie unsere Wollkleidung. Ich dachte, dass das nachhaltigste Kleidungsstück dasjenige sein muss, das man bereits in seinem Kleiderschrank hat“, sagt Eva Arnlund Eklöv.

 Eva Arnlund Eklövs Lieblings-Carry-over ist der Woolpower Zip Turtleneck.

Lange Lebensdauer für das Geschäft und den Benutzer

Frank Wacker, Ausrüstungsredakteur der deutschen Zeitschrift Outdoor Magazin und Vorsitzender der Jury, sagt: „Dieses Kleidungsstück war damals ein Wendepunkt und steht ganz oben auf meiner Liste der Ikonen“, sagt Frank Wacker. “Woolpower hat vor 40-50 Jahren ein Material und Design entwickelt, das immer noch zu den funktionellsten auf dem Markt gehört. Das finde ich fantastisch.”

Wer heute ein Outdoor-Geschäft besucht, findet dort neben neuen Artikeln immer auch Kleidungsstücke, Stiefel und Ausrüstung, die vor zehn Jahren schon genauso aussahen. Oder fünfzig. Jedes Land hat seine eigenen Favoriten, aber auffallend viele sind zu internationalen Ikonen geworden.

Für die Anwenderinnen und Anwender gibt es offensichtliche Vorteile. Die Qualität muss hoch sein, sonst hätten sich die Produkte nicht so lange auf dem Markt gehalten. Klassiker kommen selten aus der Mode, sie sind zeitlos. Außerdem können sie oft repariert und gewartet werden und haben einen hohen Wiederverkaufswert. Und je länger das Produkt genutzt wird, desto geringer ist sein ökologischer Fußabdruck. 

Mit dreißig Jahren Erfahrung im Testen und Beurteilen von Outdoor-Ausrüstung erkennt Frank Wacker ein Muster bei Produkten, die zu Klassikern werden. „Oft sind es die Einfachheit und die offensichtlichen Lösungen, die ein Produkt zu einem Klassiker werden lassen. Es hilft auch, wenn die Marke es wagt, den gleichen Namen für das Produkt beizubehalten, auch wenn kleine Details verbessert werden.”

Bedeutung von Carry-overs

In der Outdoor-Branche werden Produkte, die in die neue Saison übernommen werden, als „Carry-overs“ bezeichnet. Die Campingkocher von Trangia, die Expedition Daunenjacke von Fjällräven, die robuste Reisetasche Northface Basecamp Duffel oder den Hanwag Tatra Wanderstiefel – all diese Produkte gehören für Andreas Vogler, CEO bei Globetrotter, zu den absoluten Klassikern der Outdoor-Branche:  “Das Trangia Kocher-Set ist seit den 1960er Jahren ziemlich gleich geblieben. Bei Fjällräven gibt es viele unscheinbare Klassiker, die im Grunde wenig Aufmerksamkeit erhalten, aber schon lange mit dabei sind. Zum Beispiel die Vidda-Hose, die 1999 zum ersten Mal erschien und eine Weiterentwicklung einer Reihe von klassischen Hosen von Fjällräven war. Sie ist zwar nicht unbedingt die modischste Hose, aber völlig ohne Stretch und daher besonders robust.”

 “Bei Globetrotter streben wir ein Sortiment mit 70 bis 80 Prozent Carry-overs an – das Gegenteil zu Fast Fashion. Solche Produkte haben für uns den Vorteil, dass wir uns Jahr für Jahr auf sie verlassen können – denn wir wissen aus Erfahrung, dass die Qualität stimmt und unsere Kundinnen und Kunden lange mit ihnen glücklich sind. Je besser und länger die  Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Produkt kennen, desto besser die persönliche Erfahrung mit ihnen und somit auch die Beratung.“

Andreas Vogler, CEO bei Globetrotter.

Langjährige Beziehung zum Produkt

Langlebige Produkte haben auch Vorteile in der Lieferkette. Der Produktionsprozess wird vereinfacht, die Anzahl der Muster reduziert und die Qualität ist gleichmäßiger. „Viele Marken denken heute zu kurzfristig,” so Vogler. “Das macht eigentlich wenig Sinn: Denn wer auf Klassiker setzt, mindert seine Risiken. Man weiß in etwa, wie viel benötigt wird und wie viel verkauft werden kann. Das ist bei neuen Produkten schwerer abzuschätzen.” Außerdem legten viele Kundinnen und Kunden großen Wert auf ihre alten Schätze, die sie oft gut pflegen und lieber reparieren als sie durch neue Produkte zu ersetzen.

Auch Frank Wacker vom Outside Magazine wünscht sich, dass mehr Anbieter und Marken geduldig sind, ihrem Konzept vertrauen und auf dem Markt weiterleben lassen. Er ist der Meinung, dass viele sehr gute Produkte viel zu früh verschwunden sind. “Man baut eine Beziehung zur Marke auf und schafft mit jeder Nutzung neue Erinnerungen. Langlebige Produkte, die Menschen über einen großen Zeitraum hinweg begleiten, sind das beste Marketing, das eine Marke bekommen kann.”

Wie kreiert man einen Klassiker?

Viele Outdoor-Fans haben eine enge Beziehung zum klassischen Keron-Modell des Zeltherstellers Hilleberg. Ein Zelt, mit dem der Gründer Bo Hilleberg bereits in den 1970er Jahren zu experimentieren begann und das wahrscheinlich das bekannteste Zelt von Hilleberg ist.

“Tunnelzelte gab es schon vorher auf dem Markt, aber die Stangen waren eine Herausforderung“, erinnert sich Bo Hilleberg. “Es ist uns gelungen, ein funktionelles Tunnelzelt mit einem völlig neuen Design zu kombinieren, bei dem Innen- und Außenzelt miteinander verbunden sind, aber auch auseinandergenommen werden können.”

Keron war ein Erfolg. Dank seiner Geräumigkeit, der doppelten Seiten und der einfachen Handhabung und Aufstellung. 

“Einerseits haben wir einen einfachen Aufbau entwickelt, andererseits wollten wir so viel Platz wie möglich pro Fläche schaffen. Der größte Raum wäre eine Box, also haben wir fast senkrechte Wände und drei Stangen von exakt gleicher Länge entwickelt. Einfachheit ist wichtig, um ein langlebiges Produkt zu schaffen.” 

Bo Hilleberg sagt, dass einer der Gründer von Globetrotter, sein Freund Thomas Lipke, ebenfalls an der Produktentwicklung beteiligt war. In dieser Zeit unternahm Bo Hilleberg viele Wintertouren mit Hundeschlitten und Grönlandhunden, auch mit Thomas Lipke. Er war der Meinung, dass eine Seite länger sein sollte, um Wintertouren mit viel Ausrüstung zu ermöglichen. Bo Hilleberg stimmte zu und entwickelte das Modell Keron GT. 

“GT stand für Globetrotter! Sie bekamen sogar das Exklusivrecht, dieses spezielle Zelt zwei Jahre lang zu verkaufen.”

Der Keron hat weitere Nachfolger bekommen, wie die Modelle Nammatj, Kaitum und Helags, aber er bleibt die Nummer eins für Expeditionen und den professionellen Einsatz.

„Das ursprüngliche Modell und die erste Idee sind oft die besten“, sagt Bo Hilleberg.

Ein Carry-over aus der Welt der Wanderstiefel ist Hanwags Alaska-Stiefel

Ist schon alles erledigt?

Ein weiterer Klassiker auf dem deutschen Markt ist der Alaska-Stiefel von Hanwag, der 1996 von Adam Weger entwickelt wurde. Heute ist Christoph Hühnerbein Leiter der Forschung und Entwicklung bei Hanwag und er sagt, dass das Unternehmen immer noch sehr von einem Modell wie dem Alaska profitiert.

“Unsere Kunden lieben die Zeitlosigkeit, die unsere Klassiker mit ihren minimalistischen Designlinien ausstrahlen. Wir sehen ein großes Interesse an diesen „alten“ Schuhen, insbesondere bei der jüngeren Generation, sogar auch in der Modewelt. Der Alaska XC und die Wiederveröffentlichung noch älterer Modelle beweist, dass die Klassiker dank ihrer Handwerkskunst und ihres unverwechselbaren Designs immer noch aktuell sind.”

Bedeutet die Tatsache, dass es in der Outdoor-Branche so viele „alte Hasen“ gibt, dass weitere Produktentwicklungen und Innovationen unnötig sind? Nein, sagt Adam Weger.

“Wir stellen von Saison zu Saison nur wenige neue Produkte her, in der Hoffnung, neue Klassiker zu schaffen. Das ist auch eine Frage der „Schuhmacherehre“. Ich denke, jede Epoche hat ihre Herausforderungen. Vielleicht gab es in der Vergangenheit technische Beschränkungen. Heute liegt die Herausforderung eher darin, die richtigen technischen Möglichkeiten zu wählen.”

Nachhaltigkeitsaspekte sind auch bei der künftigen Produktentwicklung wichtig. Nicht alles war in der Vergangenheit besser, die Lederindustrie hat zum Beispiel große Fortschritte im Umgang mit Chemikalien gemacht. Aber der Fokus auf langfristige Perspektiven erlaubt es einer Marke wie Hanwag, die Eintagsfliegen zu vermeiden, die auch in der Nachhaltigkeitsdiskussion präsent sind.

“Hanwag ist keine Marke, die auf schnelle Trends aufspringt. Wenn wir etwas tun, dann tun wir es mit Überzeugung und Elan. Ein Beispiel dafür ist, dass wir immer noch zu 100 % in Europa produzieren.”

Text: Sara Wänseth
Foto:  Hilleberg / Woolpower / Hanwag
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