Trainingswissenschaft

Herzfrequenz im Sport – der optimale Trainingsbereich

Work smart, not hard: Wir erklären, was du über Ruhe-, Maximal- und Trainingspuls wissen musst und wie du so beim Trailrunning (und in anderen Sportarten) effektiv trainierst.


TEXT: Philip Baues

Für die meisten Sportler:innen ist die Herzfrequenz längst eine der wichtigsten Messgrößen beim Training. Smartwatches liefern jederzeit zuverlässige Werte und helfen dabei, Leistungs- und Gesundheitsdaten im Blick zu behalten. Wer in der für seine Ziele richtigen Intensität trainiert, vermeidet Überbelastungen, ineffektive Einheiten und erreicht so schneller die gewünschte Leistungssteigerung. In diesem Artikel fassen wir die wichtigsten Infos zu Puls und Herzfrequenz beim Sport zusammen und zeigen typische Fehler beim Training auf. Los geht’s!

Was ist eine gesunde Herzfrequenz?

Ein gesundes Herz pumpt jeden Tag bis zu 10.000 Liter Blut durch unseren Körper, gönnt sich niemals eine Pause und schlägt im gesamten Leben locker über drei Milliarden mal. Doch damit nicht genug. Je nach körperlicher Belastung kann es seinen Rhythmus in einer beeindruckenden Range variieren – von gemütlichen 50 bis über 200 Schläge pro Minute.

Es gibt also keinen einheitlichen Wert einer gesunden durchschnittlichen Herzfrequenz. Kinder haben aufgrund der geringeren Muskelkraft des Herzens einen höheren Puls als Erwachsene, Frauen tendenziell einen höheren als Männer. Und wer den ganzen Tag körperlich aktiv ist, dessen Herz wird in der Regel auch öfter schlagen als das von Menschen mit Bürojobs.

Fakt ist aber: Je besser ein Herz trainiert ist, desto weniger Schläge braucht es, um Arterien und Gefäße mit einer ausreichenden Menge an Blut zu versorgen.

Gibt es einen Unterschied zwischen Puls und Herzfrequenz?

Meist werden die beiden Begriffe synonym verwendet, weil ihr Wert im Normalfall identisch ist. Die Herzfrequenz beschreibt, wie oft der Herzmuskel pro Minute kontrahiert, um Blut in den Körper zu pumpen. Als Puls bezeichnet man den Moment, in dem dieses Blut in den Gefäßen ankommt und diese kurzzeitig ausdehnt. Deinen Puls kannst du spüren, wenn du zum Beispiel zwei Finger an deine Halsschlagader legst. Bei bestimmten Formen von Herzrhythmusstörungen (Arrhythmie) kann der messbare Puls allerdings vom Herzschlag abweichen.

Was sind normale Werte für den Ruhepuls?

Der Ruhepuls wird morgens nach dem Aufwachen, aber vor dem Aufstehen gemessen. Bei gesunden Erwachsenen liegt er zwischen 60 und 80 Schlägen pro Minute. Der Ruhepuls ist von vielen Faktoren wie Alter, Gesundheit, Fitness und Geschlecht abhängig. Nikotin, Alkohol und übermäßiger Koffeinkonsum lassen den Ruhepuls ansteigen. Grundsätzlich gilt: je gesünder und fitter, desto niedriger der Ruhepuls. Einige Spitzenathleten erreichen Werte von unter 40 Schlägen pro Minute.

Ruhepuls nach Geschlecht, Alter und Fitnesslevel
Fitnesslevel 18-25 Jahre 26-35 Jahre 36-45 Jahre 46-55 Jahre 56-65 Jahre 65+ Jahre

Hinweis: Diese Tabelle stellt einen groben Richtwert dar. Der individuelle Ruhepuls kann je nach Gesundheitszustand und genetischer Veranlagung variieren.

Wie wird der Maximalpuls ermittelt?

Die einfachste, aber ungenaueste Variante ist eine grobe Faustformel: HFmax = 220 – Alter beim Mann und 226 – Alter bei Frauen. Eine 38-jährige Frau kommt so auf eine maximale Herzfrequenz von 188 Schlägen pro Minute. Allerdings werden weder Gewicht noch Kreislauf- oder andere chronische Erkrankungen berücksichtigt – diese Faustformel ist also mit Vorsicht zu genießen.

Etwas genauer ist die Sally-Edwards-Formel, die Geschlecht, Alter und Körpergewicht mit einbezieht. HFmax = 214 (210 bei Frauen) − 0,5 × Lebensalter (in Jahren) − 0,11 × Körpergewicht (in Kilogramm). Nehmen wir an, unsere 38 Jahre alte Frau wiegt 65 kg. Laut Formel käme sie auf einen Maximalpuls von 184.

Ein eindeutiges und individuelles Ergebnis liefert nur die sportmedizinische Leistungsdiagnostik. Erfahrene und gesunde Sportler:innen können sich auch in einem Selbsttest (z. B. Lauf mit steigender Intensität) bis zur Belastungsgrenze auspowern und schauen, wie hoch ihr Puls steigt.

Was ist die Herzfrequenzreserve?

Der Bereich zwischen Ruhe- und Maximalpuls wird auch Herzfrequenzreserve (HFR) genannt – also der Spielraum, in dem dein Herzschlag variiert. Je größer diese Range, desto intensiver kann dein Training sein. Dein Herz-Kreislaufsystem ist für die unterschiedlichsten Beanspruchungen gewappnet.

Wie hoch ist der optimale Trainingspuls?

Gegenfrage: Was kostet ein rotes Auto? 😉 Pauschale Aussagen sind kaum möglich, da ein zielgerichtetes Training von verschiedensten Faktoren abhängt: (Wettkampf-) Distanz, Saisonzyklus, Fitnesszustand, aktuelle Verfassung, gewünschte Effekte … Konkret: Möchtest du Gewicht verlieren, trainierst du für einen 5-km-Lauf oder für einen Ultrarun in den Bergen?

Ein fitnessorientiertes Training findet aber in der Regel im Bereich zwischen 60 und 75 % der maximalen Herzfrequenz ab. Für unser Beispiel hieße das: Einen Großteil ihrer Trainingszeit sollte die Sportlerin (38 Jahre, 65 kg) im Pulsbereich zwischen 110 und 140 Schlägen pro Minute verbringen. Klingt wenig? Stimmt! Dieser Bereich ist aber in der Regel gesundheitlich unbedenklich – je höher das Fitnessniveau, desto größer die Range des Trainingspulses. Trotzdem trainieren selbst viele Profi-Sportler:innen zu hart und torpedieren so den eigenen Fortschritt (siehe 80/20-Regel).

Wer seinen Maximal- und Ruhepuls kennt und eine gewisse Trainingserfahrung mitbringt, kann sich seinem idealen Belastungsbereich mit der Karvonen-Formel nähern: Trainingsfrequenz = (HFmax – HFmin) x Intensitätsfaktor + HFmin.

  • Faktor 0,5 für Untrainierte
  • Faktor 0,6 für extensives Ausdauertraining
  • Faktor 0,8 für intensives Ausdauertraining

Oder du überlässt das Rechnen dem Computer 😉

Berechnung der Trainingsherzfrequenz

Einsteiger und Gelegenheitssportlerinnen

Maximalpuls: bpm

Trainingsherzfrequenz: bpm

Gut trainierte Sportler:innen

Maximalpuls: bpm

Trainingsherzfrequenz: bpm

Welcher Puls für Ausdauerstraining?

Vergleicht man einen Gewichtheber mit einer Trailrunnerin wird auf den ersten Blick klar: Wahrscheinlich wird sich das Training der beiden signifikant voneinander unterscheiden. Hier Maximalkraft und Explosivität, dort Ausdauer und Ermüdungsresistenz. Wir wollen den Fokus aber auf Ausdauersportarten belassen. Bezogen auf die Herzfrequenz kann das Training in fünf Bereiche gegliedert werden.

% HFmax
TRAININGSBEREICH

Beschreibung 

50-60%
Regeneration & Kompensation

Leichtes Herz-Kreislauf-Training, ideal für Anfänger. Fördert die Regeneration und stärkt das Herz-Kreislaufsystem (HKS).

60-70 %
Extensive Ausdauer

Fett als primärer Energielieferant. Stärkt das Herz-Kreislaufsystem und verbessert die allgemeine Fitness.

70-80 %
Intensive Ausdauer

Verbessert Sauerstoffaufnahme und Kreislauf. Klassisches Ausdauertraining zur Steigerung der Ausdauerleistung.

80-90 %
Intervalltraining/Entwicklungsbereich

Hohe Belastung für maximale Leistungssteigerung. Ideal für Intervalltraining und gezielte Entwicklung von Kraft und Ausdauer.

> 90 %
Spitzenbereich

Äußerste Leistungsgrenze. Für Freizeitsportler nicht empfohlen. Eignet sich für Spitzenathleten und Wettkampftraining.

Warum schlägt mein Ausdauertraining nicht richtig an?

Oben wurde es bereits erwähnt: Bei vielen Athlet:innen verpufft ein beachtlicher Teil des Trainingsaufwands im sogenannten Schwarzen Loch. Sie trainieren zu hart für den rein aeroben Bereich, aber nicht hart genug, um die maximale Sauerstoffaufnahme signifikant zu erhöhen. Die hohe subjektive Anstrengung in diesem Übergangsbereich lässt uns glauben, besonders intensiv zu trainieren. Bei Ausdauersportarten wie Trailrunning, Laufen, Rudern oder Radsport ist das aber nah an der Intensität, in der Wettkämpfe absolviert werden – und die sollte im Training allenfalls eine Nebenrolle einnehmen.

Wer also das Maximum aus seinen Bemühungen herausholen will, kann sich an der 80/20-Regel orientieren: 80 % der Trainingsumfänge finden in der absoluten Wohlfühlzone statt (Stichwort »Laufen ohne Schnaufen«), bei den restlichen 20 % lässt du es mit hohen Intensitäten umso mehr krachen.

Fazit:

Um dein Training maximal effektiv zu gestalten, solltest du deinen Ruhe- und Maximalpuls kennen und die Trainingsumfänge richtig auf die entsprechenden Zonen verteilen. Eine medizinische Leistungsdiagnostik ist in jedem Fall empfehlenswert – alle hier abgebildeten (Faust-) Formeln ergeben grobe Annäherungswerte und berücksichtigen keine individuellen Besonderheiten wie Erkrankungen oder Fitnessniveau.

Philip Baues (41)

… war früher Leistungssportler, hat Sportwissenschaften studiert und trainiert inzwischen meist nach dem Motto »Du kannst aus einem Schwein kein Rennpferd machen. Aber ein schnelles Schwein.«

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