Schafe grasen auf Deichen oder halten Heideflächen und Almregionen frei von Sträuchern und Büschen. Und übernehmen damit eine wichtige Funktion in der natürlichen Landschaftspflege. Regelmäßig müssen sie von ihrer üppigen Haarpracht befreit werden, doch anders als früher kann selbst die beste hiesige Wolle mit der feinen – und meist günstigeren – Qualität der Konkurrenz aus Übersee nicht mehr konkurrieren. Nicht wenige Schafbauern bleiben auf der Wolle sitzen, entsorgen sie oder verkaufen sie als Düngemittel. Einer, der sich mit der minderwertigen Nutzung für den wertvollen Rohstoff nicht abfinden will, ist Friedrich Baur aus Dinkelsbühl in Franken.
Baur, dessen Familienunternehmen Baur Vliesstoffe sich seit Generationen mit der Verarbeitung regionaler Wolle befasst, erfand mit Lavalan vor einigen Jahren ein innovatives neues Produkt, für das die regionale Wollqualität geradezu ideal geeignet ist: Lavalan ist ein waschbares Wollvlies, eine wärmende und atmungsaktive Isolationsschicht, die alle Eigenschaften bietet, für die Wolle so geschätzt wird: Sie wirkt temperaturausgleichend und feuchtigkeitsregulierend. Sie wärmt selbst in feuchtem Zustand noch und neutralisiert Gerüche. Auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit schneidet die für Lavalan verwendete Wolle als nachwachsender Rohstoff aus regionaler und rückverfolgbarer Schafhaltung gut ab.
Kein Wunder, dass sich Lavalan als Alternative zu synthetischen und Daunenisolierungen auch in der Outdoorbranche mittlerweile einen Namen gemacht hat. Zu den Marken, die Lavalan verwenden, zählen Fjällräven, Vaude, Grüezi Bag, Maier Sports, Tierra und Roeckl.
Mehr als 100 Jahre Expertise in der Wollverarbeitung
Die Firma Baur Vliesstoffe ist ein inhabergeführtes Familienunternehmen, das sich bereits seit den Anfängen in den 1910er Jahren mit der Aufbereitung und Verarbeitung von Wolle befasst. Bis zum 2. Weltkrieg produzierte man vorrangig gewalkte Wolldecken aus Wollfasern, die aus ausgedienten Wolltextilien gewonnen wurden. Ab den 1950er Jahren, hat sich das Unternehmen dann auf Faserfüllvliese aus Polyester konzentriert und ist damit zu einem der größten Zulieferer der deutschen Matratzenindustrie herangewachsen.
Als sich um die Jahrtausendwende herum eine zunehmende Nachfrage nach natürlichen Füllmaterien entwickelte, schloss Friedrich Baur Kooperationen mit Schäfereien im süddeutschen und Schweizer Raum und entwickelte Lavalan, ein waschbares Vlies aus Wolle mit einer Beimischung aus maisbasiertem Kunststoff, das er zum Patent anmeldete.
Die ersten Abnehmer von Lavalan kamen aus der Schweizer Matratzenindustrie. Gemeinsam mit einem Schweizer Hersteller von Outdoorbekleidung wurde das innovative Wollvlies schließlich für die Verwendung als Bekleidungsisolation weiterentwickelt und optimiert.
Lavalan Wollisolation: Rückverfolgbare Wolle europäischer Herkunft
Die Nutzung regional erzeugter Wolle und ist für Baur ebenso wichtig wie die Zusammenarbeit mit den wenigen in Europa verbliebenen Wollwäschereien und -ausrüstern.
Sämtliche Lavalan-Wolle ist europäischer Herkunft. Die rückverfolgbare Wolle stammt von Schäfereien in Schweden, Norwegen, Deutschland, der Schweiz und Österreich. Bei der Schafhaltung wird großer Wert auf das Tierwohl gelegt und auch garantiert kein Mulesing angewendet. Anhand eines QR-Codes kann der Endkunde die gesamten Produktionskette von der Schäferei bis zur Vliesherstellung in Dinkelsbühl nachvollziehen.
Lavalan besteht oft aus einer Mischung von norwegischer und Schweizer Wolle, da in diesen Ländern Schafrassen gehalten werden, deren Wolle sich besonders gut für die Verarbeitung zu Lavalan eignet.
Die Lavalan-Isolierung in der Kollektion von Vaude stammt von Bio-zertifizierten Schäfereien in der Bodensee-Region. Für Bekleidungshersteller wie Fjällräven oder Tierra wird das Lavalan Vlies aus reiner schwedischer Wolle produziert.
Sammeln, waschen, filzfrei ausrüsten
Die Sammlung der Wolle erfolgt entweder direkt durch die Firma Baur selbst oder durch regionale Wollhändler. Obwohl für Lavalan ausschließlich die beste Wollqualität vom Rücken und den Seiten des Schafs genutzt wird, kauft Baur den Schafhaltern stets das gesamte Wollkleid ab und nutzt davon so viel wie möglich. Auch weniger feine Wollqualitäten, für die es kaum Verwendungsmöglichkeiten gibt, kann der Vliesspezialist größtenteils verarbeiten und stellt daraus beispielsweise Dämmvlies für Häuser her.
In einer der letzten Wollwäschereien Europas in Belgien wird die gesammelte und vorsortierte Wolle von Schweiß, Schmutz und Pflanzenresten befreit, Außerdem wird den Fasern das Wollwachs entzogen. Wollwachs, auch als Lanolin bekannt, ist eine wertvolle Grundlage für pharmazeutische und kosmetische Salben.
Vor der Weiterverarbeitung erhalten die Wollfasern noch eine sogenannte Filzfrei-Ausrüstung. Die abstehenden Faserschuppen der Wolle werden entfernt, damit sie sich später bei der Wäsche nicht miteinander verhaken und zu unerwünschter Verfilzung führen. Die Behandlung ermöglicht, dass das fertige Lavalan Produkt in der Waschmaschine gewaschen werden kann.
Die Vliesherstellung
Um die Weiterverarbeitung der Wolle zum Isolationsvlies kümmern sich 60 Mitarbeiter: innen am Baur Stammsitz in Dinkelsbühl. Hier werden den Wollfasern Fasern aus Polylactid (PLA) beigemischt. PLA ist ein Kunststoff, der ebenfalls aus einem nachwachsenden Rohstoff gewonnen wird: Mais. Nach dem Kardieren (Ausrichten) werden die Fasern in einem thermischen Prozess durch das PLA an ihren Kontaktpunkten miteinander verbunden. Auf diese Weise entsteht das stabile und gleichzeitig elastische und bauschige Lavalan Vlies.
Lavalan wird in verschiedenen Stärken (Vliesdicke) hergestellt und auch der Anteil der PLA-Beimischung variiert je nach Einsatzzweck zwischen 15 und 30 %. Je höher der PLA-Anteil, desto robuster das fertige Vlies. Je höher der Wollanteil, desto stärker kommen die angenehmen Wolleigenschaften zum Tragen. Lavalan für stark beanspruchte Produkte, zum Beispiel Handschuhe oder Hosen, enthält immer einen etwas höheren Anteil PLA als Wattierungen für Outdoor-Jacken. Das innovative Verfahren ist patentiert.
Anderer Name, gleiches Konzept: Swisswool
Um die regionale Herkunft der Wolle zu betonen, wird die Wollisolation aus dem Hause Baur von Schweizer Unternehmen, beispielsweise Ortovox, unter dem ebenfalls geschützten Namen Swisswool vermarktet.
Die Wolle hierfür stammt dann ausschließlich vom weißen Alpschaf, einer berggängigen Rasse mit feinen Wollausprägungen. Mit dem Ankauf und der Vermarktung der Wolle leistet Swisswool schon seit Jahren einen wichtigen Beitrag zum Überleben des Schweizer Bergbauerntums.