Wildes Wanderwunder

Als ich kürzlich über das 10-jährige Jubiläum der drei Pfälzer Fernwanderwege las, war meine Neugier sofort geweckt.

Als ich kürzlich über das 10-jährige Jubiläum der drei Pfälzer Fernwanderwege las, war meine Neugier sofort geweckt. Schon ein paar Tage später wanderte ich zunächst auf Tagestour durch die spektakuläre Landschaft des Dahner Felsenlandes und kam aus dem Staunen kaum heraus. Fest steht: Ich komme wieder für mehr.

Gleich am Parkplatz geben »Braut und Bräutigam«, zwei dicht beieinander stehende Felssäulen, einen Vorgeschmack auf den Dahner Felsenpfad. Ich will mehr sehen und weichen Waldboden unter den Füßen spüren, setze den Rucksack auf und laufe den sanft ansteigenden Weg zum Pfaffenfels mit seiner Aussichtsplattform hoch. Tief durchatmen und den Blick auf die grandiose Landschaft genießen und auf das, was noch vor mir liegt. Von hier aus kann ich schon den Schillerfelsen sehen, den die Natur wie ein steinernes Tor in die Landschaft gestellt hat. Mit dem guten Gefühl, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, geht es im Zickzack steil hinunter, bevor der Pfad wenige hundert Meter weiter wieder im Zickzack ganz schön steil hoch führt zum Schillerfelsen.

Mit Herzklopfen – Kraft einteilen war noch nie meine Stärke – stehe ich vor einem Prachtexemplar von Felsen, dessen Sandstein von Dunkelrot, über Orangerot und Rosé bis hin zu Dunkelgrau in der Mittagssonne schimmert. 250 Millionen Jahre hat die Natur an den Sandsteinfelsen in der Südpfalz geschliffen und eine in Deutschland einzigartige Landschaft geschaffen. Rund 80 Felsentürme ragen in den Himmel hoch, von Wind und Wasser zu markanten Skulpturen geformt, dazu kommen mehr als 140 nicht minder spektakuläre Felsmassive.

Und der Dahner Felsenpfad ist nur einer der Wege, auf denen man dieser Landschaft ganz nah kommen kann. Schon wandere ich in Gedanken den nächsten Pfad, Hahnfels-Tour, Napoleon-Steig, Deutsch-Französischer Burgenweg – sie alle kreuzen meinen Weg.

Monument Valley à la Pfalz

Ich schlüpfe durch einen schmalen Felsdurchlass und steuere, begleitet vom Duft der Kiefern, das nächste Highlight an. Wow! Die Aussicht vom Plateau des Schwalbenfelsens raubt mir für einen Moment den Atem. Monument Valley in den USA kann einpacken. Denn während dort nichts als schnöde Wüste die hochgeschossenen Gesteinsschichten umgibt, ragen die Pfälzer Felsen aus einem Blättermeer empor und reiht sich ein runder Berggipfel an den anderen. 

Vorbei an der halbkreisförmigen Felsenarena erreiche ich über einen weichen Waldpfad den Elwetritschefels und schließlich die Hütte »Im Schneiderfeld« des Dahner Pfälzerwald-Vereins. Beim Blick auf die Karte regt sich mein Appetit auf Pfälzer Küche. Gegen Leberknödel mit Sauerkraut kommt meine Brotzeit im Rucksack nicht an. 

Zum Glück finde ich draußen noch ein Plätzchen. Ich setze mich zu einer Familie mit zwei Kindern. »Wir sind aus Nordrhein-Westfalen für einen Kurztrip hier«, erzählt der Vater. »Zuhause gehen die Kinder keinen Schritt zu viel, aber jetzt fühlen sie sich wie im Abenteuerland«, fügt seine Frau lachend hinzu und berichtet von all den Wanderungen, die sie schon in der Pfalz gemacht haben, bis ihr Sohn ungeduldig an ihrem Ärmel zupft, weil er wieder losziehen will.

Auch ich will aufbrechen, acht Kilometer, acht Felsen und ein Mischwald, der genauso abwechslungsreich ist, wie die Formen der Felsen, liegen noch vor mir. Mal säumen knorrige Kiefern den mit Wurzeln durchzogenen Pfad, mal mächtige Buchen, mal ist das Blätterwerk so licht, dass goldene Sonnenstrahlen auf den Boden fallen, mal ist das Grün so dicht und wirkt so verwunschen, dass man meinen könnte im Märchenwald zu sein.

Luchs in Sicht?

Ob ich hier vielleicht die Chance habe, einen Luchs zu sehen? Seit Sommer 2016 wurden die ersten Luchse im Pfälzerwald wiederangesiedelt und mittlerweile sind 17 Luchse freigelassen worden, die auch bereits Junge gekriegt haben. Und die Tiere sollen gar nicht so scheu sein und sogar Wald- und Wanderwege nutzen. Allerdings gehen sie meist in der Dämmerung und nachts auf Streiftour. Jetzt bei Tageslicht bestehen die nächsten Attraktionen aus rotem Sandstein, heißen Hirschfelsen, Schlangenfels, Mooskopf und Roßkegelfels und sind über schmale Pfade miteinander verbunden.

Dort, wo es besonders steil wird, sichern Seile den Weg. Brauch’ ich nicht, hab ich mir gedacht. Doch der feuchte Waldboden ist glatter als vermutet und so rutsche ich ein Stück auf dem Hosenboden herunter. Der kurze Schreck ist schnell vergessen. Am Rothsteigbrunnen fülle ich meine Wasserflasche auf und marschiere sicheren Tritts zum Ungeheuerfels, aus dem die Erosion zwei Bögen herausgemeißelt hat, und dann steil hinauf zum gewaltigen Büttelfels. Hier führt eine Leiter hoch in den Felsen. Der erste Tritt befindet sich ganz schön weit oben. Ob ich das schaffe? Ich bin froh, dass ich es versucht habe, denn die Aussicht auf den Pfälzerwald und den Lämmerfelsen ist grandios. Was für ein Kino! Der Lämmerfels ist mit seinen Türmen, Wänden und Plateaus an Vielseitigkeit kaum zu überbieten. Eigentlich möchte ich mich von dem Anblick gar nicht losreißen, doch dann entdecke ich Kletterer an der Felswand und die Neugier treibt mich weiter. 

Auf dem Napoleonsteig

Paradies für Kletterer

Das Klettern im Buntsandstein mache viel Spaß und sei abwechslungsreich, erklärt mir einer der Kletterer, als er wieder festen Boden unter den Füßen hat. Hier am Lämmerfelsen könne man bis zum Schwierigkeitsgrad VI (schon ganz schön schwierig) klettern, in der gesamten Südpfalz reiche der Schwierigkeitsgrad bis XI (nur für die allerbesten Kletterer machbar). Ein Blick auf seine Hände verrät, was mir durch den Kopf geht. »Wir verzichten bewusst auf den Gebrauch von Magnesia, da es die eigentlich raue Oberfläche des Sandsteins glatter macht und dem Gestein schadet«, sagt der junge Mann, der regelmäßig mit seinem Freund in die Pfalz zum Klettern kommt. »Nur während der Brutzeit der Vögel, wenn die Felsen gesperrt sind, bleiben wir fern«, ruft er mir schon wieder auf der Direttissima zu. 

Ich wähle die normale Route hoch zum Plateau des Lämmerfelsen, der die Anstrengung abermals mit einem phantastischen Blick belohnt. Auf der Albert-Eisel-Bank lege ich eine Rast ein und genieße das Gefühl, dass die Zeit stehen zu bleiben scheint. Ein Blick auf die Uhr belehrt mich eines Besseren. Mehr als vier Stunden war ich schon unterwegs. Zügig gehe ich weiter, durchquere ein Tal und erreiche schließlich den letzten Aussichtspunkt der Tour, den Wachtfelsen, der noch mal einen tollen Blick auf die Landschaft gewährt. Kurz darauf stehe ich etwas müde aber sehr glücklich wieder bei »Braut und Bräutigam«. Morgen ist ein neuer Wandertag im Dahner Felsenland.

Text: Annette Frank, Fotos: Pfalz.Touristik e.V./Dominik Ketz, Wolfgang Hahner
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