Berge Special

»Packt das Leben
bei den Hörnern!«

Klettercomic-Zeichner Erbse im Globetrotter-Interview
Ein idyllisches Fleckchen, denke ich bei mir, als ich die kleine Straße zum Ingelheimer Hof fahre, wo Comiczeichner Erbse sein Domizil hat. Ein Aussiedlerhof im Nirgendwo zwischen Heidelberg und Heilbronn, den Eberhard Köpf später mit den Worten »hier habe ich das Gefühl, angekommen zu sein« beschreibt. Der Hof bedient alle romantischen Klischees, die man als Stadtmensch vom Leben auf dem Land hat. Hinter dem Hof endet die Straße, Pferde stehen auf der Koppel und Nebel wabert von den umliegenden Wäldern in Richtung Haus, aus dem ein wohlig-warmes Licht auf die nasskalte Landschaft fällt. In den letzten 25 Jahren hat sich der inzwischen über 50-jährige einen Namen als Comiczeichner in der Kletter- und Outdoorszene gemacht und war auch mit drei verschiedenen Bühnenprogrammen unterwegs. Kernstück seines Tuns ist hier auf dem Hof die »alte Scheune«. Ein modernes Zeichenbüro mit Computer, Zeichentablet und einem großzügig gestalteten Bouldertrainingsraum. Dies ist der Ort, an dem wir nach dem Klettertraining eine Runde Billard spielen und uns für dieses Interview zusammensetzen.

Eberhard »Erbse« Köpf

Mit seinen wunderbaren Comics hält der gebürtige Freiburger der Kletterszene seit vielen Jahren den Spiegel vor.

Wann hast du dein Talent zum Zeichnen entdeckt?

Das war schon immer da! Seit ich einen Stift festhalten kann, zeichne ich. Als Kind hatte ich bereits die Idee, alles zu zeichnen. Das habe ich mit Begeisterung umgesetzt und damit entsprechend geübt und Routine bekommen, denn Talent alleine genügt nicht.

Wie kam es zu der Verknüpfung vom Zeichnen und Klettern?

Das weiß ich noch genau, das war in Südfrankreich in der kleinen Ortschaft Claret. Dort habe ich Cartoons in einer Bar gesehen. Ich war geflasht und wollte genau so etwas selber umsetzen. Daraus entstand die erste Geschichte, die später meinem Comicband „Sauber on sight“ eröffnete. Dass das Zeichnen und das Klettern zusammen gefunden haben, war nie bewusst geplant, auch wenn es aus heutiger Sicht logisch erscheint.

Kann man vom Comiczeichnen leben?

Wenn man eine Frau hat, die arbeitet, dann ja (lacht)! Aber ich leiste schon auch meinen Beitrag.

Hast du jemals daran gedacht, deine Zeichenkünste auch außerhalb der doch recht überschaubare Kletterszene zu monetarisieren?

Solche Gedanken waren natürlich da. Aus ökonomischer Sicht wäre es natürlich toll gewesen, die ganze Welt zu bedienen. Mir ist aber schnell klar geworden, dass der Charme der Comics viel mit dem Spirit zu tun hat, der an mir als leidenschaftlicher Kletterer hängt.

Du philosophierst gern über die Welt, das Leben und das Miteinander der Menschen. Wenn du auf diese Art über den Tellerrand schaust, könntest du doch ebenfalls zwei deiner Leidenschaften verbinden?

Ja, in der Tat. Bisher habe ich es kategorisch abgelehnt, zeichnerisch fremd zu gehen. Aktuell denke ich tatsächlich über solche Projekte nach, was vielleicht auch dem Älterwerden geschuldet ist. Vielleicht kommt da was. Das ist jetzt das allererste Mal, dass ich das öffentlich so sage, obwohl die Gedanken noch gar nicht reif sind. Wir leben gerade in einer Zeit, in der sich die Welt komplett neu findet. Dazu habe ich schon ein paar gute und ironische Ideen in Richtung einer systemischen Weltanschauung …

Du bist ja schon sehr lange aktiv. Wie hat sich in den Jahren a) dein Zeichenstil und b) die Kletterszene verändert?

Früher habe ich meine Zeichnungen aus dem Ärmel geschüttelt, inzwischen ist mein Zeichenstil viel genauer und feiner, obwohl vielen der reduzierte Stil sehr gut gefallen hat. Das ist mein eigener Anspruch und ist natürlich auch dem digitalen Zeichnen geschuldet, bei dem Korrekturen und das Ausarbeiten von Details viel einfacher geworden sind.

Und die Szene?

Die Kletterszene ist natürlich unglaublich in die Breite gegangen. Die Subszene von damals gibt es nicht mehr und in der heutigen Zeit ist der Klettersport extrem ausdifferenziert. Vor 20 Jahren war es undenkbar, dass jemand gar nicht an den Naturfels, sondern nur in die Kletterhalle geht. Ein allgemeingültiger Spiegel lässt sich in meinen Comics heutzutage der Szene nicht mehr vorhalten – das funktioniert nicht mehr.

Wird es dadurch schwieriger Ideen zu entwickeln?

Nein, es ist nur schwieriger geworden Themen zu finden, die für alle Spielarten des Kletterns funktionieren. Diese Basisthemen habe ich bereits in meinen ersten drei Comicbänden bearbeitet und wiederholen möchte ich mich nicht. Daher funktioniert dieser zeitlose Humor auch heute wieder in den kommentierten Neuauflagen, die auch in allen Globetrotter Filialen zu finden sind.

Warum gibt es »kommentierte« Neuauflagen?

Das hängt mit der Entwicklung des Sports zusammen. Da bedarf das eine oder andere Detail doch inzwischen einer kleinen Erklärung. Zum Beispiel ist das Sichern mit dem Achter nicht nur aus der Mode gekommen, sondern wird schon fast als kriminell angesehen. Das möchte ich nicht unkommentiert stehen lassen. Wobei ich betonen möchte, dass ich immer ausgezeichnet mit dem Achter gesichert habe!

Neue Geschichten kommen zu dir oder suchst du sie?

Ich suche sie, aber das heißt noch lange nicht, dass sie auch zu mir kommen! Manchmal kommen sie auch ohne dass ich suchen muss – das ist dann sehr faszinierend.

Immer wieder lassen sich in deinen Comics Personen aus der Kletterszene identifizieren – gab es da schon mal Ärger?

Gar nicht! Meistens fühlten sie sich die Leute geehrt. Allen voran Alex und Thomas Huber von den Huberbuam oder Stefan Glowacz. Die Hauptprotagonisten aus den Geschichten kommen ja aus meinem persönlichen Umfeld und sind nicht berühmt. Die Mutter von einem »Comic-Alpinisten« meinte mal zu mir: »Meinen Sohn stellst du aber schon immer recht wüst dar …«, aber mit der Freundschaft zu ihm ist alles im grünen Bereich.

Warum ist dann in der Neuauflage ein Comic nicht mehr zu finden?

Das hat damit zu tun, dass ich mit der Art der Deformierung der Personen selbst nicht mehr einverstanden bin. Ich hatte etwas überspitzt kritisiert und bin zu dem Entschluss gekommen, dass mir das in dieser fast schon verletzenden Art nicht zusteht. Da spielt auch viel mit rein, dass ich inzwischen ein anderes Bild davon habe, wie ich der Welt begegne. Da ist es mir schon deutlich lieber, dass der Comicheld selbst in die Fettnäpfchen tritt. Ich möchte niemanden am Nasenring durch die Manege ziehen.

Ist das nicht eine zu starke Einschränkung als Autor von Comicbüchern?

Das ist eine prinzipielle Frage, die mir immer wichtiger wird. Da kann ich gerne den Bogen zur heutigen Zeit spannen. Die Transformationen in der sich Welt und Gesellschaft gerade befinden, sind es wert, darüber nachzudenken. Wenn jemand meint, er müsse den Menschen nachweisen, dass sie falsch ticken, und nur er weiß, wie es richtig ist, dann ist das doch Hybris und ein Zeichen dafür, dass wir uns selber viel zu wichtig nehmen. Wir sollten uns unserer eigenen Subjektivität bewusst sein. Letztlich muss ich immer bei mir bleiben und mich selbst oder meist meine Einstellung ändern.

Lebst du ein Traumleben?

Nach außen sieht es sicherlich wie ein wahr gewordener Traum aus. Die Realität ist aber anders. Die Ängste, dass es nicht klappen könnte von und mit dem Zeichnen zu leben, haben mich über viele Jahre begleitet. Letztlich waren sie unbegründet, denn irgendwie hat sich immer alles stimmig zusammengefügt. Ziehen wir doch die Lehre daraus, dass man sich auf sein Glück auch einlassen muss und es letztlich die eigene Sichtweise ist, die die eigene, aber auch wirklich nur die eigene Realität schafft. (Schweigen) Stressig war es aber trotzdem.

Was würdest du jemanden empfehlen, der den Schritt wagen möchte, die eigene Leidenschaft zum Beruf zu machen?

Macht es! Verlasst gewohnte Bahnen! Packt das Leben an den Hörnern! Die Ängste, von denen ich gerade gesprochen habe, kommen von meiner Prägung, auf der sicheren Seite des Lebens zu bleiben. Es hat leider lange gedauert, bis ich mich darauf einlassen konnte, dass das Leben auch Alternativen bereithält. Das ist aber eher ein persönliches Ding. Daher rufe ich der Welt zu: »Zieht nicht den Kopf ein und traut euch die Dinge zu tun, für die euer Herz schlägt!«

Woher stammt dein Künstlername Erbse?

Es liegt ja recht nah an meinem Vornamen. Aus Eberhard wurde Ebbe und da war dann Erbse nicht weit. Da mir das selber gut gefallen hat, bin ich seit der Grundschulzeit der Erbse. Wichtig: nicht die Erbse! Das war schließlich eine Steilvorlage für den Comiczeichner. Daran siehst du aber auch sehr schön, dass da keine geplante Strategie dahinter steckte. Die Dinge haben sich zusammengefügt.

Du lebst hier mit deiner Frau und den drei Kindern auf einem Aussiedlerhof. Die Erfüllung eines Traums?

Ja, das kann man so sagen. Auch wenn ich es schöner gefunden hätte, wenn der Hof in Südfrankreich in der Nähe von einem Klettergebiet liegen würde. Mit Claret hätte sich der Kreis geschlossen … Dennoch, auch hier im alpinen Niemandsland ist der Hof mein Sechser im Lotto. Nicht zuletzt auch deshalb, weil es das ideale Umfeld für meinen jüngsten Sohn Anton ist, der Trisomie 21, also das Down Syndrom hat.

Ihr beide habt eine auffällig innige Beziehung.

Das Leben stellt immer wieder Herausforderungen und diese stellt Anton durchaus auch sehr direkt an uns als Familie. Dennoch sind die offenen und direkten Gefühle, die er viel besser zeigen kann als die meisten Menschen, eine Bereicherung. Auch wenn es sich sehr klischeehaft anhört, an den Aufgaben wachsen wir und es öffnet den Horizont in eine nicht geahnte Richtung.

Du hast eine Zeichentournee durch die Globetrotter-Filialen gemacht?

Ja, das war zu deren 40-Jahre-Jubiläum. Jeder Kunde durfte sich zeichnen lassen und so entstand eine ganz eigene Beziehung. Ich bin ja sonst nie so nah an den Menschen dran.

Worauf dürfen sich unsere Leser in naher Zukunft freuen?

Langfristige Perspektiven habe ich ja bereits offenbart. Aktuell bin ich glücklich, dass meine ersten drei Comicbände wieder zu kaufen sind. 2022 zeichne ich seit 20 Jahren für den Deutschen Alpenverein. Daraus wird ein großer Sonderband entstehen. Es bleibt also spannend.


INTERVIEW: Martin Schepers

FOTOS: Eberhard Köpf