Fräulein Draußen nimmt dich mit

Küstenwandern in der Bretagne

Ganz im Nordwesten Frankreichs bildet die Bretagne eine sagenumwobene, abwechslungsreiche Halbinsel. Der sie umrundende Pfad war früher dem Zoll vorbehalten, heute ist er ein erstklassiger Wanderweg. Orientierung einfach: immer am Wasser lang! 

Die Bretagne ist eine Halbinsel: Von der Bucht des Mont Saint-Michel über die Rosa Granitküste und die Sandküste im Norden, über die Leuchtturm gespickten Steilklippen im Westen bis an den Golf von Morbihan und zu den Salzwiesen der Guérande im Süden. Die Grande Randonnée 34 (kurz: GR34) – auch als Zöllnerpfad bekannt – führt als 2000 Kilometer langer Küstenwanderweg immer an der Küste entlang –  jede Kurve, jede Bucht und jede Landspitze nimmmt er mit.

Kathrin Heckmann alias Fräulein Draußen

startete 2013 vor ihrer ersten großen Solo-Reise nach Schottland ihren Blog. Heute kann sie einen großen Teil ihres Lebens mit ihrer Leidenschaft füllen und davon leben. Als Vollzeitbloggering sind (Fern-)Wandern, Trailrunning und Bikepacking ihre Lieblingsbeschäftigung. In unserem Blog findet ihr ein großes Interview mit ihr.

Auf dem Zöllnerpfad erlebt man vieles von dem, was die Bretagne so besonders macht: von den Gezeiten geprägte Küstenlandschaften, wilde Klippen, Felsenkunstwerke aus Granit, alte Geschichte, weiße Traumstrände und pittoreske Küstenorte. In diesem Beitrag berichtet Kathrin von ihrer viertägigen Tour und gibt Tipps zum Nachwandern sowie für viele weitere Aktivitäten und Orte links und rechts des Weges, die auch zum längeren Verweilen für Pausentage einladen.

Ihr müsst Euch aber nicht gleich mehrere Monate Urlaub nehmen, um bretonisches Fernwander-Feeling zu erleben. Auch für Tagestouren oder kürzere Mehrtageswanderungen ist die GR34 perfekt geeignet. Die beste Reisezeit sind Frühling und Herbst – bei milden Temperaturen und den schönsten Farben entlang der Küste.

Outdoor-Bloggerin Kathrin Heckmann alias Fräulein Draußen war eine knappe Woche auf dem Zöllnerpfad unterwegs und hat dabei auf 70 Kilometern den nordwestlichen Zipfel der Bretagne zwischen Locquirec und Plouescat erkundet – für Kenner einer der schönsten Abschnitte des Küstenwanderwegs GR34.

Tag 1: Küste der Kontraste

Von Guimaëc nach Saint Samson, 24 km

Ich kann mich nicht entscheiden, was ich schöner finde: sattes, geschwungenes Grün oder die feinen Sandstrände mit eindrucksvollen Felsnadeln. 

Der erste Übernachtungstipp und Start dieser Etappe ist das Chambre d’hôtes Escale de Trobodec Le Prajou in Guimaëc.

Und es geht direkt mit einer Herausforderung der sportlichen Art los. Auf den ersten paar Kilometern ab dem Strand Poul Rodou in Guimaëc in Richtung Westen gleicht der kleine, wilde Pfad einem grünen Dschungel aus Farnen und Sträuchern. In stetigem Auf und Ab pflügt er sich über Klippen und durch türkisfarbene Buchten. Eindrucksvoll, aber auch ein bisschen anstrengend. Die Anstiege sind zwar nie besonders lang, dafür aber zahlreich.

Tipp: Stärkt Euch am Vorabend oder unterwegs am Foodtruck »Why not, Bus rose« direkt am Strand Poul Rodou in Guimaëc. Hier gibt’s lokale sowie auch vegetarische und vegane Snacks mit Meerblick.

Wie der Name verrät, wurde der Zöllnerpfad im 18. Jahrhundert angelegt, um an der zerklüfteten Küste der Bretagne nach Schmugglern Ausschau zu halten. Schmuggler habe ich keine gesehen, dafür aber kleine Fischerboote, kreisende Möwen, sich sonnende Kormorane und natürlich das weite Meer, von dem man beim Wandern kaum den Blick lösen kann. Immer wieder bin ich stehen geblieben, um die Ausblicke zu genießen.

  • Plougasnou – Port de Térénez
  • Guimaec
  • Unterwegs nach Plougasnou
  • Am Strand von Plougasnou

Plougasnou, Seebadcharme mit türkisblauem Meer

An der türkisblau leuchtenden Bucht von Primel-Trégastel, die schon zu Plougasnou, meinem heutigen Etappenziel gehört, lasse ich mich für eine wohlverdiente Pause in den strahlend weißen Sand fallen. Ab hier wird das Relief weicher, der Weg und die Landschaft ändern ihr Gesicht. Ich wandere immer wieder vorbei an großen Felsblöcken und bizarren Steinformationen – sieben Strände und ein Chaos aus Granit wechseln sich munter ab.

Besonders eindrucksvoll sind die Felsnadeln an der Pointe de Diben – der kleine Abstecher rund um die Landspitze hat sich definitiv gelohnt. Was für ein Kontrast zum satten, geschwungenen Grün von heute Morgen! Ich kann mich nicht entscheiden, was ich schöner finde, aber glücklicherweise muss ich das auch nicht. Denn auf dem Zöllnerpfad kann man beides haben, und noch sehr viel mehr.

Übernachtungstipp am Etappenziel: das Chambre d’hôtes La Maison de Kerdiès, 5 route de Perherel, Saint Samson, 29630 Plougasnou.

Tag 2: Zeitreise und Algentartar

Saint Samson – Cairn von Barnenez, 6 km und Roscoff – Santec Le Dossen, 14 km

Zwischen megalithischem Mausoleum, lebhaften Bars am Kai und einem Ausritt mit dem Zodiac – mehr lässt sich an einem Tag auf dem Zöllnerpfad nicht erleben.

Entlang des Zöllnerpfads gibt es nicht nur viel Meer und Natur, sondern auch von der weit zurückreichenden Kultur und Geschichte der Bretagne findet sich jede Menge am Wegesrand. Deswegen mache ich an meinem zweiten Wandertag nach ungefähr sechs Kilometern entlang der morgendlich verschlafenen Küste einen Abstecher zum Cairn de Barnenez, dem größten megalithischen Mausoleum Europas.

Elf Grabkammern birgt der 75 Meter lange und 28 Meter breite Cairn (dt.: großer Grabhügel), der zwischen 4500 und 3900 v. Chr. errichtet wurde. Er ist eine der ersten jungsteinzeitlichen Spuren in Europa, die aus dauerhaften Materialien gebaut wurden. Besichtigungen sind mit und ohne Guide möglich, vor Ort gibt es Informationsmaterial in deutscher Sprache.

Für alle, die Zeit haben: Roscoff lädt zu einer Pause ein

Nach dieser spannenden Zeitreise überspringe ich ein Stück der GR34-Wanderroute und fahre einmal rund um die Bucht von Morlaix, um zum Startpunkt meiner zweiten Teiletappe des Tages zu kommen: der Hafenort Roscoff. Mit seinen reich verzierten Reederhäusern und den vielen Bars am Kai lohnt sich für alle, die etwas mehr Zeit mitgebracht haben, auch ein Pausentag. Auf der vorgelagerten Insel Batz wachsen, dank des milden Klimas durch den Golfstrom, im Tropengarten 2000 Pflanzenarten aus aller Welt. Überfahrt mit der Fähre: 15 Minuten.

Neben seinen Zwiebeln, die noch heute bis nach England exportiert werden, ist Roscoff bekannt für seine Spezialitäten aus Algen. Am alten Hafen hat »Algoplus« eine kleine Epicerie & Boutique (Quai Charles de Gaulle). Hier könnt ihr euch wunderbar mit Algentartar (perfekt auf Baguette) für die nächsten Etappen eindecken. Oder für ein Picknick zwischen Stränden und Granitfelsen auf der Halbinsel Perharidy. Einst wurde dieser Ort zwischen den Gemeinden Roscoff und Santec aufgeteilt, um eine gerechte Verteilung des Seetangs zu gewährleisten. Heute kommen die Menschen wohl vor allem hierher, um den schönen Blick auf Roscoff und die Natur zu genießen.

  • Südsee auf bretonisch
  • Blick auf Roscoff
  • Roscoff
  • Kapelle bei Roscoff

Seetang habe ich auf dieser Etappe dennoch reichlich gesehen, der Ebbe sei Dank. Denn die Bretagne meint es ernst mit ihren Gezeiten – mit Höhenunterschieden von bis zu 14 Metern. Selbst große Buchten können bei Niedrigwasser dann komplett »leer« sein. Und als Wanderin kann man sich so auf die Suche nach Algen, Muscheln, Krebsen und anderem Unterwassergetier machen. Tauchen in Wanderschuhen sozusagen!

Im Zodiac durch die Bucht von Morlaix

Noch ein Tipp für alle, die ein oder zwei Tage in Roscoff bleiben möchten: Wasserfeste Neoprenanzüge, Abenteuerlust und ein Fernglas sollten bei der rasanten Tour mit dem Schnellboot durch die Bucht von Morlaix keinesfalls fehlen. Das bekommt Ihr natürlich alles vor Ort gestellt. Denn der offene Zodiac mit nur zwölf Sitzplätzen bringt seine Gäste an die schönsten Orte der Bucht, oft begleitet von Kegelrobben. Die Guides teilen dabei gern ihr Wissen über die Flora, Fauna und Geschichte der Bucht sowie darüber, was es bedeutet in den starken Strömungen zu navigieren.

Etappenziel Strand

Bei Flut ist auch der Strand Plage du Dossen an meinem heutigen Etappenziel ein echter Tipp für Fans des Wassersports: Der kilometerlange, feine Sandstrand ist einer der bekanntesten Spots fürs Strandsegeln, Windsurfen, Surfen und Kitesurfen im Nordwesten der Bretagne. Wer noch Puste hat, kann einen Abstecher auf die lnsel Sieck machen. Aber Obacht: Die Insel ist nur circa zwei Stunden vor und nach Ebbe zu Fuß erreichbar. Neben ihrer eigenen landschaftlichen Schönheit bietet die Insel ein herrliches Panorama auf die gesamte Küste, von der Insel Batz bis Cléder.

Übernachtungstipp am Etappenziel: Chambre d’hôtes Les Quatre Vents, 402, rue Korn Yar, Le Dossen, 29250 Santec.

Circa 20 Minuten zu Fuß vom Les Quatre Vents findet ihr den Food Truck Beach Camp mit Produkten aus lokaler und nachhaltiger Landwirtschaft, perfekt fürs Abendessen am Meer.

Tag 3: Immer entlang der Sandküste

Santec Le Dossen – Dünen von Keremma, 34 km

Wer hier eine schroffe bretonische Nordküste erwartet, findet sich viel mehr auf den Seychellen wieder. Und der Zöllnerpfad bringt uns zu jeder noch so kleinen, versteckten Bucht.

Die Sandküste (Côte des Sables) ist ein rund 45 Kilometer langer Küstenstreifen bei Plouescat, westlich von Roscoff: Türkisfarbenes Meer, feine, weiße und schier unendlich weite Sandstrände, von Wind und Gischt geschliffene Felsblöcke und Dünen soweit das Auge reicht. Plouescat ist so unaufgeregt wie malerisch, ein einziges Fotomotiv.

Nicht umsonst trägt die Küste hier den Namen Sandküste (Côte des Sables). Der Küstenpfad GR34 führt an jeder noch so versteckten Bucht vorbei. Um möglichst viel von diesem Küstenabschnitt zu sehen, bin ich am dritten Tag eine besonders lange Etappe gewandert. Wer mehr Zeit für Pausen einplanen möchte, kann sie aber natürlich auch in zwei Etappen aufteilen, zum Beispiel durch eine Übernachtung in Cléder am Strand Plage des Amiets.

Zweifelsohne: einer der schönsten Strände der Bretagne

Und das ist nicht nur irgendein Strand, sondern zweifelsohne einer der schönsten der ganzen Bretagne. Eine weitläufige, weiße Sandfläche, dahinter türkisblau leuchtendes Meer, lediglich hier und da unterbrochen von großen Granitfelsen. Ein wahrlich faszinierender Anblick, den man vom etwas erhöht verlaufenden Zöllnerpfad ganz besonders gut genießen kann.

  • Halbinsel Perharidy
  • Plouescat

Doch das war längst nicht die einzige großartige Aus- und Ansicht des Tages! Egal ob beschauliche, von den Gezeiten geprägte Küstenlandschaften oder eindrucksvolle Felsformationen: Die Sandküste vereint auf kleinem Raum ziemlich viel von dem, was die Bretagne so besonders macht. Ein weiteres Highlight ist der Küstenabschnitt zwischen der Landspitze Pointe de Pen an Théven und dem sieben Meter hohen Menhir (Hinkelstein) Cam Louis. Von hier aus gibt es einen zauberhaften Blick über die Bucht von Kernic und die Dünen von Keremma.

Übernachtungstipp bei den Dünen von Keremma: Camping d’Odé-Vras, 29430 Plounévez-Lochrist.

Tag 4: Pause in den Dünen von Keremma

Größter Dünengürtel der Bretagne

Wind, Wasser, Dünen und breite Sandstände zum Strandsegeln und Meergenießen. Doch aufgepasst, zwischen Ebbe und Flut schwankt der Wasserstand oft um über zehn Meter.

Die Dünen von Keremma in Plouescat sind mit knapp sechs Kilometern breite der größten Dünengürtel der Bretagne. Ein Paradies für Vögel, Pflanzen und naturverliebte Wanderer. Das Informationszentrum Maison des Dunes (dt.: Haus der Dünen) bietet verschiedene Themenführungen an: über das geheime Leben in ihnen, die Vögel der Bucht, den Einfluss von Mensch, Gischt und Wind auf ihren ständigen Wandel und vieles mehr.

Denn die Dünen bieten grandiose Landschaften und eine Vielfalt an interessanter Fauna und Flora. Mal vom Menschen, mal von Wind und Gezeiten geformt, sind sie eine ungewöhnliche und überraschende Landschaft. Riesige weiße Sandstrände, die sich bei Ebbe bis zum Horizont öffnen. Vom Campingplatz Odé-Vras sind es nur 20 Minuten zu Fuß bis zum Beginn der Dünen.

Wer weite Sandstrände und Nordküste der Bretagne hört, die für ihren hohen Tidenhub bekannt ist, weiß auch: Hier ist ein perfekter Spot zum Strandsegeln. Besonders die Bucht von Kernic, die auch als Natura 2000 Schutzgebiet ausgezeichnet ist, lädt dazu ein, eins zu werden mit Wind und Watt.

Tipps zum Wandern auf der GR34/Zölllnerpfad

  • Schwierigkeit:

    Der ein oder andere Anstieg ist dabei, alles in allem sind die Höhenunterschiede auf dem Zöllnerpfad aber eher gering, und auch sonst gibt es keine größeren Herausforderungen. Daher ist der Zöllnerpfad grundsätzlich auch sehr gut für EInsteiger:innen geeignet, solange man die Etappen der eigenen Fitness entsprechend plant.

  • Wegfindung:

    Die Route ist durchgehend mit einem roten und einem weißen Streifen markiert. Sich zu verlaufen ist eher schwer, zumal man im Prinzip immer nur der Küste folgen muss. Zur Sicherheit kann es aber sicherlich nicht schaden, die Route auch auf dem Smartphone abzuspeichern.

  • Anreise:

    Ab Paris gibt es zu mehreren Orten eine Direktverbindung mit dem TGV, die Züge in die Bretagne starten vom westlichen Bahnhof Paris Gare Montparnasse. Nach Paris kommt man ohne Umsteigen zum Beispiel von Köln, Frankfurt, Stuttgart und München, dort muss man dann allerdings noch den Bahnhof wechseln. Direktflüge in die Bretagne gibt es nach Rennes und Nantes, die Gegend ist aber auch sehr gut mit dem Zug erreichbar.

  • Reisezeit:

    Am besten für eine Wanderung auf dem Zöllnerpfad sind die Monate April, Mai und Juni sowie September und Oktober geeignet. Denn im Frühling und im Herbst zeigt sich die sonnige Küste in ihren schönsten Farben und die besten Abschnitte hat man zu dieser Jahreszeit noch fast ganz für sich.

  • Unterkünfte:

    In touristischen Gegenden hat man oft eine relativ große Auswahl an Unterkünften. Auf anderen Streckenabschnitten können Unterkünfte hingegen rar sein. Es empfiehlt sich auf jeden Fall, vorab zu recherchieren und eventuell im Voraus zu buchen. Das gilt vor allem auch, wenn man kein Zelt dabeihat. Für Frankreich typisch sind die Gîtes (eher einfache Unterkünfte, häufig mit Selbstversorgungsmöglichkeit) und die Chambres d’hôtes (wie Bed & Breakfasts). Beide sind oft günstiger als Hotels und oft auch in abgelegeneren Regionen zu finden. Campingplätze findet man überall in der Bretagne, auch diese sollte man aber natürlich vorab recherchieren.

  • Wanderproviant:

    Ähnlich wie die Unterkünfte können auch die Verpflegungsmöglichkeiten variieren. Bei der Recherche ist zu beachten, dass gerade kleinere Supermärkte oft nur eingeschränkte Öffnungszeiten haben und dass Restaurants und Cafés teilweise nur zur Hauptreisezeit geöffnet sind.


FOTOS: Kathrin Heckmann, Thibault Poriel, Alexandre Lamoureux, Emmanuel Berther