Schlafen im Freien: 52 Nächte draußen

52 Mal Schlafen im Freien – das hatte sich Globetrotter Philipp Pedersen für 2021 vorgenommen. Und geschafft. Über seine Schlafplätze und Erlebnisse spricht er im Interview.

Philipp Pedersen

Hallo Philipp, 2021 hast du in Deutschland 52 Nächte draußen verbracht, im Durchschnitt jede Woche eine. Welche Nacht bleibt dir in besonderer Erinnerung?

Ich war auf dem Albsteig, auf einem Fernwanderweg über die Schwäbische Alb. 350 Kilometer von Donauwörth nach Tuttlingen. In Aalen bin ich nach dem Abendessen noch 300 Höhenmeter den Berg hochgestapft. Pünktlich zum Sonnenuntergang war ich oben, habe Venus und Jupiter gesehen. Als es immer dunkler wurde, hat sich hoch über mir das Sternenzelt entfaltet und tief unter mir zogen sich die Lichter der Stadt wie eine glimmende Goldader durchs Tal. Dieser Ausblick war so magisch, ich konnte kaum einschlafen.

Wann und warum hast du dich entschieden, dein Schlafzimmer nach draußen zu verlegen?

Ursprünglich wollte ich 2021 einen Marathon laufen und mich langfristig darauf vorbereiten. Leider legte mich im Spätherbst 2020 eine Covid-Infektion für drei Monate flach. Das war für mich ein echter Schuss vor den Bug. Als es mir wieder besser ging und ich langsam wieder Sport treiben konnte, habe ich entschieden, dass ich 2021 mache, was mir am wichtigsten ist und sich gleichzeitig mit der Pandemie verträgt.

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Philipp Pedersen Philipp Pedersen arbeitet seit 2018 in der Globetrotter Filiale Berlin in der Rucksackabteilung.

»Mein Projekt startete im Februar auf dem Drachenberg in Berlin, bei minus 13 Grad, gemeinsam mit einem Kollegen von Globetrotter. Es war ein beeindruckendes Erlebnis.«

Du wolltest maximal viel Zeit in der Natur verbringen?

Genau, ich bin ein totaler »Draußenmensch«. Am Berliner Stadtrand war der Wald in meiner Kindheit mein Spielplatz. Später war ich als Segler, Läufer und Wanderer immer gern in der Natur. 2021 wollte ich möglichst oft, aber wenigstens einmal pro Woche draußen schlafen, das war mein Plan.

Schlafen im Freien – Dein Projekt startete damit im Winter?

Das war im Februar auf dem Drachenberg in Berlin, bei minus 13 Grad, gemeinsam mit einem Kollegen von Globetrotter. Es war ein beeindruckendes Erlebnis. Mein Winterschlafsack aus dem Fundus der Filiale war so warm, dass ich ihn nachts öffnen musste. Ich habe das als großes Privileg empfunden. Es gibt so viele Menschen in Berlin ohne Obdach, die bei solchen Temperaturen nicht so gut ausgerüstet sind. Jedoch hätte ich meine Augen besser gegen die Kälte schützen sollen. Eine Entzündung der Tränendrüsen mit drei Tagen ausgetrockneten Augen war die Folge. Mit einem Buff oder heruntergezogener Mütze die Augen abzudecken, wäre die Lösung gewesen.

Fiel es dir schwer, Bettdecke gegen Schlafsack zu tauschen?

Nicht, wenn du einen kuschelig-warmen Daunenschlafsack hast. Es ist eher eine Frage der Perspektive. Im Freien zirpen im Sommer die Grillen neben deiner Isomatte, du hörst den Ruf eines Waldkauzes, das Röhren eines Hirsches oder das Rauschen der Bäume im Wind. Du kannst beobachten, wie die Sternbilder über den Himmel ziehen, und siehst Sternschnuppen schweifen. Dagegen ist ein Bett richtig langweilig.

Wo warst du 2021 unterwegs und hast Nächte draußen verbracht?

Quer über Deutschland verteilt. Die meisten Nächte im Freien verbrachte ich während meiner Radtour von Flensburg zum Bodensee. 1800 Kilometer in 25 Tagen und 24 Nächten.

Hast du auf Campingplätzen übernachtet?

Insgesamt nur vier Nächte. Wenn man lange unterwegs ist, ist es schön, gelegentlich die Kleidung richtig zu waschen und eine warme Dusche zu bekommen. Ansonsten habe ich oft wild an Flüssen, Wald- und Wiesenrändern geschlafen.

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Philipp Pedersen Ankunft am Schlafplatz am Bodensee.

Ist Schlafen im Freien in Deutschland erlaubt?

Biwakieren, also übernachten nur mit Schlafsack, Tarp und Isomatte zur Wiederherstellung der Reisefähigkeit ist eine Grauzone. Ganz wichtig: Ich sehe mich als stillen Gast in der Natur, mache kein offenes Feuer, Naturschutzgebiete und Nationalparks sind tabu, breche keine Äste ab, sammle meinen und den Müll anderer Menschen mit ein. Ich bin ein stiller Gast, störe keine Pflanze, kein Tier und keinen Menschen. Im Zweifelsfall frage ich die Anwohner, ob ich in ihrem Garten oder Feld schlafen darf, dann hat man nachts auch ein gutes Gefühl.

Es gab bestimmt nicht nur schöne Nächte?

Auf langen Touren tankt man nachts Kraft für den nächsten Tag. Eines Nachts hat vermutlich eine Eule ein Tier gefangen. Es folgte ein einstündiger Todeskampf. Das war erschreckend, aber auch sehr natürlich. Gerade in den ersten Nächten einer Tour bin ich noch sehr furchtsam. Wenn man irgendwann lernt, dass man eine kleine Maus im Laub hört und keinen Menschen, der sich anschleicht, schläft man besser.

Was braucht man für eine Nacht draußen?

Mut, Neugierde und Respekt im Umgang mit der Natur. Und eine angemessene Ausrüstung: Isomatte und einen der Jahreszeit entsprechenden Schlafsack, dazu einen Wetterschutz, also Tarp oder Zelt. Eine Stirnlampe darf nicht fehlen, und wenn man einen Kaffee oder ein warmes Essen möchte, dann braucht man noch Kocher, Topf und Löffel.

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Philipp Pedersen Schlafen im Freien als stiller Gast der Natur – im Einklang mit den Bläulingen auf dem Volksmarsberg.

Da braucht es auch kein Auto zur Anreise?

Ich habe als Berliner gar kein Auto. Zu meinen Übernachtungsplätzen reise ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln, zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Mein »Haushalt« inklusive Zelt passt locker in meinen großen 70-Liter-Rucksack. Den meisten Platz darin nimmt meine Kamera in Anspruch.

Deine Reisekosten dürften überschaubar bleiben?

Das sind die täglichen Verpflegungskosten, ein Zugticket für An- und Abreise und manchmal ein Obolus für die Übernachtung. Hinzu kommen die einmaligen Anschaffungskosten für die – in meinem Fall – meist hochwertige Ausrüstung. Das ist mir wichtig, denn meine Ausrüstung muss nicht nur perfekt funktionieren, sondern auch noch leicht sein und sollte lange halten. Dann bin ich bereit, auch mehr zu investieren.

Muss man ein gestandener Outdoor-Profi sein, um so ein Abenteuer erleben zu können?

Ich glaube nicht. Als Neuling sollte man den Sommer wählen und schauen, wie es gefällt. Auch ich habe in der Nähe von meinem Wohnort angefangen, an einem Ort, den ich bei Tageslicht kannte. Ich wusste beim Schlafengehen, wie sich der Ort anhört, wie er aussieht, was auf mich zukommt. Am besten du beginnst mit einer Nacht oder maximal einem Wochenende. Und besser eine Tour in Deutschland oder im urbanen Europa planen, wo man die Tour ohne Probleme abbrechen kann, und nicht gleich die schwedische Wildnis wählen.

Noch ein Tipp für Neulinge?

Nicht nur für die: Ein Smartphone gehört zur Grundausstattung. Solltest du dich verletzen oder sonst Hilfe brauchen, hast du so – abgesehen von Funklöchern – Kontakt zur Außenwelt. Ich vergrabe es immer tief im Rucksack, so nutze ich es auch wirklich nur als Notfallausrüstung.

Was für eine Rolle spielt es, dass du bei Globetrotter arbeitest?

Es ist ein riesiges Geschenk für mich, mit meinen Kollegen ein Hobby zu teilen. Wir können uns gegenseitig inspirieren, für Projekte motivieren und danach austauschen. Eine echte Horizonterweiterung. Außerdem habe ich Zugriff auf ein bisschen Leih-Equipment in der Filiale.

War das letzte Mal Schlafen im Freien 2021 der krönende Abschluss?

Eine lange Nachtwanderung – Ende November – mit anschließender Übernachtung. Ich schlief unter einem Tarp an der Havel, ein Biber ist vorbeigeschwommen. War nicht spektakulär, aber ein würdiger Abschluss.

Hast du schon Pläne für dieses Jahr? Wirst du wieder das Schlafzimmer mit dem Sternenhimmel tauschen?

Ich möchte am 1. April in Berlin meinen Rucksack aufsetzen und bis zum Nordkap laufen. Die Ostsee werde ich mit dem Segelschiff überqueren. Pünktlich zum Mittsommer mit den endlosen Tagen werde ich durchs Fjäll laufen. Und am Ende der Tour – im Oktober – sehe ich vielleicht erste Polarlichter. Ich rechne mit 150 Nächten im Freien. Bei Globetrotter findet ihr mich bis Oktober also nicht.