Jack Wolfskin: Der Wolf in uns

Jack Wolfskin: Fürs neue Discovery-Projekt war Umwelt-Fotograf Ronan Donovan auf Wolfs-Expedition im Yellowstone-Nationalpark. Dort sucht er, was Tier und Mensch verbindet. Und Mr. Blue.

Der erste Schnee liegt bereits in den abgelegenen Tälern, als Ronan Donovan aus seinem Pick-up steigt, seine Ausrüstung anlegt und seine Suche beginnt. Sieben Tage wird sich der Umweltfotograf durch die Wälder und die Einsamkeit des Yellowstone-Nationalparks schlagen, auf den Spuren der Wölfe. Seine Mission: Ronan sucht nach Spuren eines legendären Wolfs, der zu den Nachfahren der Gründungspopulation der heutigen Yellowstone-Population gehörte: bekannt als Mr. Blue. Dieser einzigartige Wolf musste über außergewöhnliche soziale Fähigkeiten verfügen, um mehr als 8 Jahre im Yellowstone-Ökosystem zu überleben. Welche Eigenschaften das waren, ob er sie an seine Nachfahren weitergeben konnte, und was wir Menschen von ihnen lernen können – das will Ronan herausfinden. Ronan will herausfinden, ob es Wölfe gibt, die das gleiche stahlblaue Fell haben, weshalb Mr. Blue diesen Namen bekommen hat. Konnte Mr. Blue seine sozialen Fähigkeiten an seine Nachkommen weitergeben, und was können wir Menschen von der Gesellschaft der wilden Wölfe lernen? Um Antworten zu finden, muss Ronan die Wölfe aufspüren, sie beobachten und fotografieren. Keine leichte Aufgabe. Vom Nordwesten Wyomings erstreckt sich der 8.991 km² große Nationalpark bis nach Montana und Idaho. Im Winter fallen die Temperaturen auf minus 40 Grad. Toughe Bedingungen, ganz auf sich allein gestellt. Wölfe sind an diese Umwelt perfekt angepasst, können sich frei bewegen. Die Menschen müssen auf alles vorbereitet sein, sich mit Kleidung und Werkzeugen gegen die Kälte schützen und lernen, die natürlichen Signale zu deuten. Aber Ronan Donovan ist der richtige Mann dafür. Denn er ist Mr. Blue bereits begegnet.  

Zurück zu den Ursprüngen

Der Umweltschützer hat alle sieben Kontinente bereist, um ein besseres Verständnis für unsere sozialen Mitsäugetiere zu erlangen. Als Umweltfotograf hält er in Bildern fest, was Menschen nicht zu sehen bekommen: Das soziale Leben der Tiere in ihrer natürlichen Umgebung, ohne Einflussnahme des Beobachtenden. Als Naturschützer dokumentiert er aber auch, welche Konflikte entstehen, wenn tierische und menschliche Gesellschaften aufeinanderprallen. Mit seinen Bildern möchte Ronan die gemeinsamen Merkmale sozialer Gruppen herausarbeiten und den Erhaltungsbedarf im Zusammenhang mit der Interaktion zwischen Mensch und Tier aufzeigen. Zeigen, wo sie in Konflikt geraten und wie Koexistenz möglich ist. Dafür hat er Schimpansen in Uganda fotografiert, Gorillas in Ruanda, und für National Geographic den Alltag arktischer Wölfe eingefangen. Seine Methode: Reviere erkunden, Laufwege und Nahrungsquellen der Tiere antizipieren und an strategischen Punkten sogenannte Kamerafallen aufstellen. Bewegt sich ein Tier am Sensor vorbei, löst es die Kamera aus. So entstanden einzigartige Einblicke in das Leben der Tiere. Und preisgekrönte Fotografien. 

»Wir fürchten uns vor allem, was wir nicht kennen. Das ist Teil unseres tierischen Instinkts.«

Als er 2014 die Chance bekam, in einem Langzeitprojekt die Wolfspopulation im Yellowstone-Nationalpark zu berichten, sagte Ronan sofort zu. Wo sonst kann man den Ursprüngen der wieder angesiedelten Populationen von Spitzenraubtieren so nahe kommen? Denn Wölfe leben erst seit ihrer Wiederansiedlung nach der Ausrottung im Jahr 1995 in Yellowstone. 70 Jahre lang wurden sie durch Jagd, Fallenstellerei und Vergiftung aus dem Yellowstone ferngehalten. Sie wurden ausgelöscht. Bei der Gründung des Parks 1872 waren Wölfe als wichtiger Teil des ökologischen Gleichgewichts noch zahlreich vorhanden gewesen. Nachdem europäische Siedler aber die natürliche Beute der Wölfe (Bisons, Wild) rasant dezimiert hatten, bedrohten die Wölfe das domestizierte Vieh der Menschen. Also wurde Jagt auf sie gemacht, und 1926 der letzte Wolf in Yellowstone geschossen.  

70 Jahre lang gab es keine Wölfe in Yellowstone

1995 holte man die dann Wölfe zurück. In einem seinerzeit einzigartigen ökologischen Experiment sollte im Yellowstone-Areal wieder ein natürliches Gleichgewicht entstehen. Aus Kanada wurden 31 Wölfe übergesiedelt und mit Peilsendern zur Identifizierung ausgestattet. Sie passten sich an, vermehrten sich, bildeten stabile Rudel. Als Ronan dann 2014 die Wölfe des Nationalparks zum ersten Mal aufspürte, fand er eine gesunde Population vor. Sieben Monate wartete Ronan damals darauf, einen der Wölfe vor die Kamera zu bekommen. Immer wieder durchstreifte er den Park, verlegte Kamerafallen, positionieret sie neu, suchte neue Gebiete ab. Bis er eines Tages da war. Einfach so. 

»Ich erinnere mich daran, wie ich Mr. Blue das erst Mal sah. Ich hatte nie zuvor einen Wolf gesehen, der aussah wie er.«

Auf einem Foto, das Ronan bis heute zu seinen besten zählt, war dieser außergewöhnliche Wolf zu sehen. Wissenschaftler:innen identifizierten ihn als 755M, nach seiner Halsbandnummer. Aber die Locals nannten ihn nur Mr. Blue. Er wurde als schwarzer Wolf geboren, aber im Laufe der Jahre änderte sich sein Fell in eine blaugraue Farbe, die ihm einen fast blauen Farbton verlieh. Sein dramatisches Leben ist gut dokumentiert. Und es gibt einen beispiellosen Einblick in die Individualität und soziale Intelligenz der Wölfe.

Das einzigartige Leben von Mr. Blue

Mr. Blue war der Gründer eines der ersten Rudel, des „Wapiti Lake Pack“, nach der Wiederansiedlung, in 2015. Ein in mehrerer Hinsicht einzigartiger Wolf. Er wurde als schwarzer Wolf geboren, aber sein Fell hat sich im Lauf seines langen, epischen Lebens verändert, zu einer kühlen, stahlblaugrauen Farbe. Den Großteil seines Lebens verbrachte er innerhalb der Grenzen des Nationalparks. Er hatte in dieser Zeit mindestens sechs verschiedene Gefährtinnen. Einige von ihnen wurden von rivalisierenden Rudeln getötet, andere von menschlichen Jägern außerhalb des Parks, eine wurde von einem rivalisierenden Rudel gekidnappt. 

Das ist es, was Ronan fasziniert. Jedes Lebewesen ist einzigartig. Und dieser Wolf verkörpert die Dramatik jedes einzelnen Lebens als ebenso tragische wie stolze Figur. Seine Geschichte zeigt, wie anpassungsfähig die Tiere nicht nur an umweltbedingte, sondern auch an soziale Strukturen sind. Mr. Blue hat mit mindestens acht Rudeln zusammengelebt. Er besaß ein seltenes Verständnis des jeweiligen sozialen Umfelds und die Fähigkeit, sich in Hierarchien von bestehenden Wolfsrudeln einzugliedern. Der wohl erstaunlichste Aspekt seines Charakters: Er muss die perfekte Persönlichkeitsmischung aus nicht bedrohlichem, geselligem und nutzbringend-starkem Verhalten haben, vermutet Donovan.  

Auf Expedition in 1995 Series von Jack Wolfskin

»Wölfe und Menschen sind soziale Tiere. Wenn wir ein Wolfsrudel genau beobachten, können wir darin uns selbst wiederfinden.«

Deshalb ist Mr. Blue so wertvoll für uns. Wir leben immer im Verhältnis mit und zu anderen. In sozialen Gebilden und in natürlichen Gegebenheiten. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Wölfe in Yellowstone liegt bei vier Jahren. Als Donovan ihn sah, war Mr. Blue acht Jahre alt. Wölfe jagen Tiere, die das 5-bis 10-fache ihres Körpergewichts wiegen, sie müssen unglaubliche Kraft und Ausdauerleistungen aufbringen. Teamwork ist der Schlüssel zum Erfolg und zum Überleben der Wölfe. Mr. Blue hat diese Fähigkeit perfektioniert. Die Einzigartigkeit seines Lebens lässt sich nur aus seinem Verhalten anderer gegenüber verstehen.

Mehr entdecken, um besser zu verstehen

Für das Dicovery-Projekt ist Ronan nun also unterwegs, um das Vermächtnis von Mr. Blue zu erkunden. In der Hoffnung, weitere „Blaue Wölfe“ zu entdecken, geht er zurück an den Ort, wo den ersten von ihnen zum ersten Mal sah. Sollte er fündig werden und Mr. Blue seine genetischen Spuren in Yellowstone hinterlassen haben, könnten wir noch viel von diesen Tieren lernen. Ronan wird seine Arbeit in Bildreihen und Dokumentarfilmen veröffentlichen und Aufmerksamkeit für ein der wichtigen Fragen nicht nur unserer Zeit schaffen: Wie können moderne Menschen, Tier und Umwelt im Gleichgewicht miteinander leben? Eine komplexe Frage, die Antworten braucht. Denn zurzeit befinden sich die Wölfe des Yellowstone-Parks erneut in einer schwierigen Situation. Sie sind Opfer ihres eigenen Erfolgs: Sie vergrößerten ihre Familien und Territorien auch über die Grenzen des Parks hinaus. Erneut wurden 25 Wölfe im letzten Jahr erlegt. Was also können wir lernen? Wir dürfen gespannt sein, mit welchen Einblicken und Erkenntnissen Ronan zurückkehrt.

Entdecke die Discovery-Ausrüstung für dein nächstes Abenteuer in der kalten Jahreszeit: