Tobias Woggon im Interview

Globetrotter Markenbotschafter Tobias Woggon erkundet die Welt auf Stollenreifen und hält packende Vorträge über seine Bike-Abenteuer.

Philip Ruopp

Tobias, bist du eine Rampensau?

Nein, eigentlich nicht. In der Schule war ich sehr zurückhaltend und saß immer in der letzten Reihe. Nicht, weil ich cool sein wollte, sondern weil ich bloß nicht auffallen wollte. Auf dem Bike dagegen konnte keine Rampe zu steil und kein Sprung zu hoch sein. Während meine Freunde alle Crosscountry-Bikes hatten, besaß ich einen Downhiller mit 200 Millimeter Federweg und bin alles gesprungen, was auch nur halbwegs nach Sprung aussah. Blieb mir aber auch gar nichts anderes übrig, denn zum Rauffahren und Rumheizen war mein Bike nicht gemacht.

Portrait Tobias Woggon
Philip Ruopp Gestatten, Tobias Woggon (31), Profi-Biker
und Globetrotter Markenbotschafter.

Erinnerst du dich noch an deinen ersten Auftritt vor Publikum?

Und ob. Ich war zwar schon in Vorbereitung meiner ersten Vortragstour, doch das erste Mal auf einer Bühne stand ich auf einem Tourismuskongress in Österreich. Das Thema: Contentmarketing. Hat leider überhaupt nicht funktioniert. Ich war zwar gut vorbereitet, doch leider konnte ich die Notizen auf meinem Spickzettel schlicht nicht lese­n, weil meine Hand so gezittert hat. Ach du meine Güte, dachte ich mir, bald spreche ich vor 1000 Leuten und hier klappt es nicht mal vor 30. Doch sobald es thematisch allein ums Fahrradfahren ging, war mein Lampenfieber wie weg­gewischt. Ich habe dann die Halbzeitpause der ersten Tour genutzt und professionelles Stimmtraining und Vortragscoaching gemacht, was noch mal enorm geholfen hat.

Inwieweit hat dir Corona 2020 einen Strich durch die Rechnung gemacht?

Da hatte ich ein bisschen Glück im Unglück. Im Februar hatte ich gerade rechtzeitig die letzte Produktionsreise für meinen neuen Vortrag »Wild Wide North« in trockenen Tüchern. Da war also ein Haken dran. Gezeigt habe ich ihn allerdings erst einmal, dann kam Corona und der nahe­zu vollständige Zusammenbruch der Vortragsszene. Aber nun freue ich mich, dass es hoffentlich im Dezember wieder richtig losgeht: mit einer Vortragsreihe durch die Globetrotter Filialen.

Du hast dein Basislager in Lichtenfels im Fränkischen. Was hat dich dorthin verschlagen?

Ich komme eigentlich aus dem Oberbergischen und bin wegen meiner Ex-Freundin hierhergezogen. Und nun will ich nicht mehr weg, weil es so schön ist. Hier wohnen vielleicht 80 vornehmlich ältere Menschen und ich glaube, ich bin der Einzige, der noch nicht in Rente ist. Ich habe mir hier einen Bauernhof gekauft und ihn in vielen Jahren nebenher renoviert. Der Kontrast zu meinen Reisen, auf denen die Eindrücke nur so auf mich einprasseln, könnte nicht größer sein. Ich sag Freunden oft, dass sie mich auch mal spontan besuchen können, doch spontan kommt hier kaum einer vorbei.

Wann wusstest du, dass du mit dem Fahrrad nicht nur zur Schule fahren wolltest?

Ich bin schon immer viel gebikt, und als nach der Konfirmation ein bisschen Geld im Sparschwein war, habe ich mir mein erstes MTB gekauft: ein Scott von einem Zweimetermann, mit dem Klein-Tobi ganz schön seine Mühe hatte. Damit ging es dann in die Bikeparks der Umgebung und immer, wenn ein bisschen Geld da war, habe ich es in Form besserer Teile in das Scott investiert.

Mountainbiker in Israel.
Philip Ruopp

»Das Mountainbike ist der ultimative Türöffner: für grandiose Landschaften und ins Herz der Locals.«

Vor dem Einstieg in den Profisport hast du Landschaftsgärtner gelernt – um deine Trails selber bauen zu können?

Das ist eher ein praktischer Nebeneffekt. Während an­dere in der Schule Polizist oder Feuerwehrmann werden wollten, hab ich Gärtner ins Freundebuch geschrieben. Und ich kann mir durchaus vorstellen, dass ich nach der Sportlerkarriere wieder in dem Beruf arbeiten werde.
Zu Beginn deiner Karriere bist du Enduro-Rennen gefahren. Was ist das?
Ich vergleiche das gern mit Rallyefahren. Bei den klassischen MTB-Disziplinen Crosscountry und Downhill läuft die Stoppuhr permanent und man beschäftigt sich vorher ausführlich mit der Strecke und ihren Schlüsselstellen. Beim Enduro-Fahren gibt es dagegen gezeitete Etappen und Überführungsetappen auf einem bis zu 80 Kilometer lange­­n Loop. Diese Strecke kann man gar nicht auswendig lernen. Alles ist viel intuitiver und man muss ein viel kompletterer Biker sein als in den jeweiligen Spezialdisziplinen.

Und warum hast du deinen Enduro-Helm dann an den Nagel gehängt?

Zum einen wollte ich nie in ein Profiteam, da ich schon zuvor viele gute Sponsoren wie Maloja und Schwalbe hatt­e, die ich nicht verlieren wollte. In einem Profiteam bist du aber angestellt und hast keinen Einfluss, wer dich unterstützt. Ein solches Team brauchst du aber andererseits, wenn du eine Chance aufs Podest haben willst. Noch schlimmer fand ich jedoch, dass man um die ganze Welt jettet und dann vor Ort außer Flughafen und der jeweiligen Region, in der die Rennen ausgetragen werden, nichts sieht. Denn entweder ist am Wochenende drauf schon wieder ein Rennen sonst wo oder du musst heim, da du nur dort professionell und mit System trainieren kannst.

Trainierst du heute noch für deine Trips?

Das kommt auf das jeweilige Abenteuer an. Neulich bin ich mit einer Freundin 1300 Kilometer in einer Woche durch Deutschland geradelt, um »spaßeshalber« Pakete eines Bikeversenders an ehemalige Fahrradprofis auszuliefern. Um das mit Anstand durchzustehen, hatte ich vorab mit Trainingsplan trainiert. Ansonsten mache ich Grundlagenausdauer in Blöcken. Da steckt also immer ein Plan dahinter, wenn ich mich in den Sattel schwinge.

Kann man MTB-Profi werden, ohne sich auf dem Weg dorthin ernsthaft zu verletzen?

Ja, kann man – und sollte man auch. Mountainbiken, so wie ich es betreibe, ist schon ein relativ gefährlicher Sport. Umso wichtiger ist die richtige Einschätzung des Risikos, besonders in der Wildnis, fernab der nächsten Krankenstation. Sicher gibt es immer wieder Talente, die uns etablierte­­n Fahrern ganz schön um die Ohren fliegen – aber nur bis zum ersten Einschlag. Die Kunst ist es daher, sich am Limi­­t zu bewegen, aber nie darüber hinaus­zugehen. Das bin ich auch meinen Sponsoren schuldig, die eine schöne Story mit tollen Bildern wollen und keine Röntgen­aufnahme.

Hast du Vorbilder, die dich inspirieren?

Ich mag die Mountainbiker Wade Simmons und Thomas Vanderham. Das sind Helden meiner Jugend und noch immer gut dabei. Dann schaue ich gern, was die German Roa­mers so auf Instagram treiben und lasse mich von deren weltweiten Landschaftsbildern beeindrucken. Auf Youtube schaue ich aktuell Ken Roczen, ein deutscher Motocrosser, und Jamie O’Brien, der einen tollen Surf-V-Log macht.

Was war deine größte Pleite auf Reisen?

Ich bin mal mit meinem Fotografen nach Vietnam geflogen, um dort eine schöne Reportage zu fotografieren. Leider war der Untergrund in der Region um Sa Pa derart rutschig, dass ich immer gestürz­t bin und wir keinen einzigen Trail vernünftig fahren konnten. Normalerweise bin ich es gewohnt, Probleme auf Reisen irgendwie zu lösen, doch der Output dieser Reis­e ging gegen null.

In deinem neuen Buch, das begleitend zum neuen Vortrag erscheint, ist auch Outdoor-Koch Markus Sämmer mit von der Partie. Wie kam das zustande?

Meist bin ich ja mit meinem Kumpel und Fotografen ­Phili­p Ruopp auf Reisen. Und immer, wenn wir ver­gangene Trips Revue passieren lassen, ist das Essen der größte gemein­same Nenner. Kein Trail, kein Berg, sondern der Geschmac­k unbekannter Gerichte am Ende der Welt war in unserer Erinnerung am lebendigsten. Und so haben wir für unser aktuelles Projekt in aller Herren Länder Rezept­­e gesammelt und diese von Markus Sämmer verifizieren und nachkochen lassen. Dieser ist zudem auch absolut outdoorbegeistert und war auf einem Schottland­trip mit seinem Bike dabei.

»Für mein aktuelles Buch habe ich nicht nur nordische Trails erkundet, sondern auch die lokale Küche.«

Bist du am Herd auch so gut wie am Lenker?

Nun, ich bin weder der beste Koch noch der beste Mountain­biker. Aber ich kann sehr leidenschaftlich sein.

Kann man als weltreisender Mountainbiker alt und reich werden?

Reich ist schwierig, alt kann man schon werden. Besonders wenn man wie ich keine sportlichen Höchstleistungen mehr anstrebt, sondern gern Geschichten erlebt und erzählt. Dabei kommt mir mein fortschreitendes Alter sogar gelegen, denn die damit einhergehende Gelassenheit hilft mir, die besten Geschichten zu finden.

Bikepacker auf Gravelbikes auf den Faröer Inseln.
Philip Ruopp Da Mountainbiken auf den Färöer-Inseln verboten ist, sattelten Tobi und sein Tourenpartner auf Gravelbikes um.

In den letzten Jahren war dein Fokus auf die nordischen Länder gerichtet. Willst du das weiter vertiefen oder zieht es dich künftig eher ins Warme?

Ich bin mit dem Norden noch lange nicht fertig. Da hängt einfach mein Herz dran, da fühle ich mich komplett. Ich war gerade erst wieder auf einem privaten Biketrip in Norwegen und dabei wurde meine Vorliebe für kühl, schroff, windig und feucht einmal mehr bestätigt.

Wo müssen Globetrotter Kunden unbedingt mal mit dem Mountainbike hin?

Nach Schottland. Wenn viele das Wort Urlaub hören, dann denken sie automatisch an den Süden. Dabei ist Schottland gerade für Norddeutsche nicht weit weg und kann bequem per Fähre erreicht werden. Dort findet man eine weltweit einmalige Bike-Infrastruktur und obendrauf gibt es atemberaubende Landschaften von wild bis mild. Ich war schon über zehn Mal dort.

Mountainbiker im verschneiten Schottland.
Philip Ruopp Über zehn Mal war Tobi schon in Schottland – und ist immer wieder aufs Neue begeistert.

Dein unverzichtbarstes Ausrüstungsteil aus dem Globetrotter Sortiment?

Das Lite-Kochsystem von Primus. Alles inklusive, sehr energie­effizient, leicht, klein verpackbar und somit perfekt fürs Bikepacking. Das Teil macht Frühstück, Abendessen und zwischendurch auch schnell mal einen Tee.

Dein Partner-in-Crime, der Fotograf Philip Ruopp, ist gar kein Mountainbiker. Wie kommt ihr trotzdem zusammen zu guten Bildern?

Philip ist ein erfolgreicher Werbefotograf, den ich über einen gemeinsamen Freund kennengelernt habe und der gern mal Biken fotografieren wollte. Dass er mittlerweile bis zu drei Monate im Jahr mit mir im Zelt verbringt, war nicht sein Plan. Seine Ausrüstung umfasst bis zu drei schwere Rucksäcke, sodass würdevolles Biken ohnehin nicht möglich ist. Aber Philip ist, was man auf den ersten Blick nicht unbedingt vermuten würde, ein schneller Wandersmann, der kilometerweit für das perfekte Foto läuft.

Wie groß ist der Aufwand für ein perfektes Bild?

Philip hat die Devise »Lieber ein perfektes Bild als hundert Neunzigprozentige«. So verbringen wir, sobald die passende Location gefunden ist, so viel Zeit an diesem Ort, bis wir eben jenes Bild im Kasten haben. Dazu muss ich einen Sprung zur Not auch 20-mal machen, bis die Körper­haltung und die Position des Bikes passen.

Dein bisher extremster Trip ging im Winter nach Grönland? Wo kann man dort bitte Fahrrad fahren?

Wir wollten den Arctic Circle Trail machen. Dieser Weitwanderweg ist nur im Winter mit dem Bike machbar, da dann alle Seen zugefroren sind und Jäger die Strecke mit ihren Schneemobilen eingefahren haben. Damit die sich über Wochen bildende Fahrspur fahrbar ist, mussten wir unbedingt Neuschnee vermeiden. Und da dieser nur bei Temperaturen um den Gefrierbereich fällt, haben wir den kältesten Monat gewählt: Februar. Leider hat es im Zuge einer seltenen Warmfront dann aber doch ge­schneit: 20 Zentimeter in der Nacht vor unserem Start. Immer wieder mussten uns die vorausfahrenden Schneemobile eine Spur machen, damit wir überhaupt vorankamen. Aber wenn jedes Abenteuer perfekt funktionieren würde, wäre es ja kein Abenteuer.

Wo habt ihr geschlafen?

In Jagdhütten – die leider nicht immer einen funktion­s­fähigen Ofen hatten. Einmal zeigte das Thermometer minu­s 30 Grad an, sodass permanent die Öffnung meiner Schlafsackkapuze durch den Atem zufror.

Woher bekommt man dort Ersatzteile?

Gar nicht. Alles, was kaputtgehen kann, sollte man mitnehmen. Da ich bei meiner Ausrüstung sehr viel Wert auf Haltbarkeit lege – und meine Sponsoren das zum Glück ähnlich sehen –, habe ich meist nur ein Schaltwerk und ein Schaltauge als Ersatz dabei.

»Bei der Auswahl meiner Ausrüstung ist Haltbarkeit das oberste Gebot.«

Was ist bei MTB-Einsteigern der häufigste Fehler?

Auf der Fahrtechnikseite ist es das zu enge Blickfeld. Viele starren nur aufs Vorderrad und den Meter davor. Aber so kann man nicht schnell genug reagieren, wenn Hindernisse auftauchen. Besser, man hebt den Blick und verschafft sich einen Überblick. So kann man seine Linie auf dem Trail entsprechend vorausschauend und effizient wählen. Und auf der Technikseite ist die Zeit der Klickpedale großteils abgelaufen. Nur wer Rennen gewinnen will, braucht die fixe Verbindung mit dem Fahrrad. Alle anderen fahren mit einem sogenannten Flatpedal, dessen Zacken sich mit einem speziellen Bikeschuh perfekt verzahnen ohne einzurasten, deutlich besser und entspannter.

Wie stehst du zum Thema E-Bike?

Als Ergänzung ist es perfekt, gerade auf den Heimattrails. Während man mit dem herkömmlichen Fahrrad, im Fachjargon gern Biobike genannt, auf der Feierabendrunde gefühlt die meiste Zeit auf Schotter verbringt und nicht auf dem Lieblingstrail, erhöht sich mit dem E-Bike der Trailanteil enorm – und damit der Spaßfaktor. Zudem bringt der zusätzliche Schub auch auf der Zubringerpiste ein spürbares Plus an Spaß. Und sage mir keiner, dass E-Biken nicht sportlich sei. Solange ich nicht die ganze Zeit im Turbomodus den Akku leersauge, fließt auch auf dem E-Bike jede Menge Schweiß. Allein die höhere Single­trailquote führt zu einem Mehr an Körperspannung – und schnell zu Muskelkater. Auch kann ich mit dem E-Bike Leistungsunterschiede ausgleichen. Der Supersportler kann gern allein mit Muskelkraft Vollgas geben, ohne dabe­i auf die Begleitung von Gelegenheitsbikern ver­zichten zu müssen. Nur beim Flugtransport und in der Wildnis sind E-Bikes ein No-Go. Zum einen kann man keine Akkus im Flieger transportieren und nach nicht mal 2000 Höhen­metern ist auch der größte Akku leergesaugt. Wer dann keine Steckdose und ein paar Stunden Zeit findet, tritt den Rest der Tour auf einem 25 Kilo schweren Biobike in einen nicht gerade reibungsarmen Antrieb.

Mann im Zelt im Wald.
Philip Ruopp Dort, wo Tobi Fahrrad fährt, ist ein Hotel meist weit weg – und das ist auch gut so!

Wohin geht die nächste Reise?

Das ist jetzt, Ende September, natürlich schwierig zu sage­n. Geplant ist als Nächstes jedenfalls eine Tour mit Geländewagen und Bike auf der Ligurischen Grenzkammstraße von Nizza bis nach Turin.

Hast du Laster, von denen wir noch wissen sollten?

(Lacht) Ja, ich esse gern und oft auch zu viel. Dabei kann ich allem etwas abgewinnen: der gehobenen Sterneküche samt stundenlangen Gelagen genauso wie dem Hotdog an einer norwegischen Tankstelle. Für mich vom Team Gummibärchen sind auch diese riesigen Selbstbedienungsstände mit Süßigkeiten aller Art in den skandinavischen Supermärkten eine echte Falle, der ich selten ­widerstehen kann.


MEHR VON TOBIAS WOGGON

Tobis Bildband Tour du Nord ist eine Expedition durch fünf nordische Regionen und bringt Mountainbiking, Zelten und das Kochen mit besten lokalen Zutaten zusammen. Praktische Tipps und beeindruckendes Bildmaterial machen Lust, sich sofort selbst aufs Rad zu schwingen.
Den Vortrag zum Buch gibt es in der Wintersaison in vielen Globetrotter Filialen, tagesaktuelle Infos dazu findet man unter www.globetrotter.de/veranstaltungen

Text: Michael Neumann